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Beruflicher Neustart. Heiko Krüger steht kurz vor dem Abschluss seiner Umschulung zum Kita-Erzieher. Der 43-jährige Spremberger ist gelernter Dachdecker, kann wegen eines Sportunfalls nicht mehr als Handwerker arbeiten.

© J. Haase

Von Jana Haase: Auf den zweiten Blick

Kitas sind in Brandenburg eine Frauendomäne: Nur 2,4 Prozent der Kitaerzieher sind derzeit Männer Mit einem Umschulungsprogramm sollen arbeitslose Männer für den Beruf gewonnen werden

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Spremberg - Seine Abschlussprüfung macht er erst im Sommer, ein erstes Bewerbungsgespräch für die Zeit danach hat er aber schon in dieser Woche: Auch ohne Zeugnis ist Heiko Krüger für seine zukünftigen Arbeitgeber hochinteressant – weil er ein Mann ist, in einer beruflichen Frauendomäne. Der 43-jährige gelernte Dachdecker macht derzeit eine Umschulung zum Kita-Erzieher. Zwei Wochen pro Monat arbeitet er im „Kinderspielgarten“, dem Betriebskindergarten des Krankenhauses in Spremberg (Spree-Neiße), zwei Wochen paukt er theoretische Grundlagen wie Psychologie oder Pädagogik, entwickelt Projekte wie ein Weiden-Iglu und schreibt Aufsätze darüber. Krüger zählt zu landesweit bislang rund 60 arbeitslosen Männern, die in einem Umschulungsprogramm für den Erzieherberuf fit gemacht werden sollen.

Im brandenburgischen Bildungsministerium, das das Projekt 2007 ins Leben gerufen hat, verspricht man sich davon vor allem eins: „Wir wollen mehr Männer in die Kitas kriegen“, erklärt Ministeriumssprecher Stephan Breiding. Denn Kitaerzieher, das ist in Brandenburg ein Frauen-Beruf: Landesweit nur 328 Männer arbeiten nach Ministeriumsangaben in Kindertagesstätten – das sind gerade mal 2,4 Prozent der insgesamt mehr als 13 600 Kitaerzieher.

Werbung bei den männlichen Schulabgängern sei jedoch wenig sinnvoll, berichtet Breiding: „Für 17-, 18-Jährige ist der Beruf einfach uncool.“ 15 Jahre später sehe das jedoch oft schon anders aus: Als Familienväter und mit möglicherweise enttäuschenden Alltagserfahrungen im früheren Traumberuf bewerteten die Männer den Erzieherberuf neu. „Deswegen brauchen wir solche späten Angebote“, sagt Breiding.

Für Heiko Krüger war nach einem Sportunfall 1993 Schluss mit der Arbeit als Dachdecker: „Ich musste sechsmal operiert werden und wurde schließlich für berufsunfähig erklärt.“ Trotzdem jobbte er jahrelang noch zeitweise als Handwerker, suchte aber eigentlich „was Bleibendes“, wie er sagt. Die Arbeit mit Kindern kannte er von seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Jugendfußballtrainer beim SC Spremberg. Als er im August 2008 vom Arbeitsamt die Umschulung angeboten bekam, habe er deshalb sofort ja gesagt, erinnert sich der zweifache Vater: „Dann ging alles ruck-zuck.“

Drei Landkreise – Cottbus, Spree-Neiße auch Ostprignitz-Ruppin – haben sich bislang an dem Umschulungsprogramm beteiligt. In den ersten beiden Jahren gab es vom Land dafür noch insgesamt 400 000 Euro EU-Mittel als Zuschuss, getragen und finanziert wird das Programm aber von den regionalen Arbeitsämtern. Arbeitslose Brandenburger könnten damit wieder eine Beschäftigungsperspektive in der Region finden, so die Hoffnung beim Land. Außerdem könne zumindest ein Teil des Mehrbedarfes an Kitaerziehern, der nach Inkrafttreten des neuen Kitagesetzes in diesem Jahr prognostiziert wird, mit den Umschülern gedeckt werden, erklärt Bildungsministeriumssprecher Breiding.

Ein neuer Mann im Team, das war für Elke Schmiedel, die Leiterin des „Kinderspielgarten“, in dem Krüger derzeit Praktikant ist, eine wichtiges Argument: „Kinder brauchen männliche Bezugspersonen“, ist die Pädagogin überzeugt. Unter den sechs Erziehern für die fast 60 Kinder der Betriebskita gibt es bereits einen Mann, der wie Krüger umgeschult wurde.

Trotzdem ist Elke Schmiedel bei der Auswahl der Männer aus dem Projekt besonders vorsichtig, wie sie einräumt: „Wenn sie ungeeignet gewesen wären, dann hätte ich keinen genommen.“ Bei der Verantwortung für die Kinder mache sie „keine Abstriche“, sagt die 45-Jährige. Den nötigen Weitblick bei der Arbeit, die Umsicht und Kritikfähigkeit vermisse sie häufig schon bei „normalen“ Bewerbern, die eine fünfjährige Ausbildung zum staatlichen Erzieher an einer Fachoberschule absolviert haben.

Staatlich anerkannt wird auch Krügers Abschluss sein, allerdings mit einer Einschränkung: Er kann später nur in Kitas, nicht in Heimen und anderen Einrichtungen arbeiten. Damit ist der ehemalige Dachdecker zufrieden: „Für mich hat sich durch die Ausbildung vieles geöffnet, auf dem Bau war ja eine ganz andere Luft.“ Dass er in seiner Ausbildungszeit ausschließlich vom Hartz-IV-Regelsatz leben muss, sei allerdings „frustrierend“, räumt der Familienvater ein: „Auf dem Papier bin ich immer noch langzeitarbeitslos, obwohl ich seit zwei Jahren arbeite.“ Jetzt hofft er auf sein Vorstellungsgespräch. Eingeladen ist er bei einem Naturkindergarten mit Schwerpunkt auf Musik – und Handwerk: „Das wäre ein Traum“, sagt Heiko Krüger.

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