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Hunger. Bau einer Biogas-Anlage bei Sieversdorf (Oder-Spree). Wegen der steigenden Zahl von Biogas-Anlagen in Brandenburg hat auch der Bedarf an Mais als Rohstoff zur Energiegewinnung zugenommen. Gab es 2005 landesweit noch 34 Anlagen, sind es heute 280.

© dpa

Brandenburg: Auf die Probe gestellt

Laborergebnis: Der Herbizid verseuchte Tümpel auf einem Maisfeld in der Uckermark ist kein Einzelfall

Von Matthias Matern

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Potsdam - Bislang war es nur eine Vermutung, jetzt ist der Beweis erbracht: Der stark mit Herbiziden verseuchte Tümpel auf einem Maisfeld in der Uckermark ist kein Einzelfall. Auch in anderen Wasserlöchern Brandenburgs finden sich zum Teil erhebliche Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. Nachdem die Bürgerinitiative „Verseuchte Felder in der Uckermark“ wie berichtet 2011 eine starke Verunreinigung eines sogenannten Feldsolls bei Stabeshöhe (Uckermark) durch ein Labor nachweisen ließ, haben die Aktivisten in diesem Jahr zusammen mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und dem Naturschutzbund (NABU) Proben von insgesamt elf Stellen im Land untersuchen lassen. Die Ergebnisse seien alarmierend, heißt es: An sechs Stellen wurden die Grenzwerte der Grundwasserrichtlinie für einige chemische Verbindungen überschritten.

Entnommen wurden die Proben an acht Söllen in der Uckermark und dreien im Kreis Oder-Spree. Nur in drei Fällen wurden keine Rückstände festgestellt. Besonders häufig überschritten wurden die Grenzwerte für das Totalherbizid Glyphosat und sein Hauptabbauprodukt AMPA. Im Fall des Stabeshöher Tümpels wurde der Wert für AMPA sogar um das 19-Fache überschritten. Eingesetzt wird Glyphosat unter anderem beim Mais-Anbau. Wegen der stetig steigenden Zahl an Biogas-Anlagen wächst der Bedarf an Mais als Rohstoff rasant. Derzeit steht in Brandenburg auf etwa 190 000 Hektar Mais. Das sind etwa 35 Prozent der Getreideanbaufläche. Noch 2011 wurde nur auf 167 000 Hektar Mais angebaut. Im Jahr davor waren es noch acht Prozent weniger. Nach Schätzungen von Experten werden etwa 30 Prozent des Mais energetischen genutzt. Auf manchen Feldern stehen dem NABU zufolge die Pflanzen bereits fünf Jahre in Folge. Experten sprechen von einer Vermaisung der Landschaft.

Glyphosat kommt zum Einsatz, bevor die Saat ausgebracht wird. Das Mittel soll das Unkraut auf dem Acker abtöten. Gleichzeitig aber würden wichtige Lebensräume für seltene Tiere zerstört oder aber deren Nahrungsgrundlage vergiftet, warnen Naturschützer. Letztlich bedrohten die sogenannten Agrochemikalien die Artenvielfalt. „Die Schmetterlinge sind nicht mehr da, man hört die Lerchen nicht mehr singen – Wir sind beinahe zur Beprobung genötigt worden“, meint Sybilla Keitel-Müller von der Bürgerinitiative.

BUND, NABU, die aufgebrachten Anwohner aus der Uckermark, aber auch die Grünen fordern deshalb den sofortigen Stopp für den Einsatz von Glyphosat. „Vorliegende Studien rechtfertigen längst das Verbot von Glyphosat“, meint etwa Tom Kirschey, Brandenburgs NABU-Vorsitzender. Untersuchungen aus Brasilien zufolge könnten auf Glyphosat basierende Herbizide etwa zu Missbildungen bei Tieren führen. Gleichzeitig räumt Kirschey aber auch ein, dass die Wirkung von Glyphosat auf sogenannte Nicht-Ziel-Organismen noch gar nicht erschöpfend erforscht sei und Fehlbildungen natürlich kein neuartiges Phänomen seien.

Wenn auch der AMPA-Wert weit überschritten wurde, so habe sich beim Tümpel in Stabeshöhe „vieles verbessert“, räumt Keitel-Müller ein. Der längst verbotene Wirkstoff Simazin, der noch im vergangenen Jahr in dem Söll gefunden wurde, konnte nicht mehr nachgewisen werden. Nachdem das das brandenburgische Landesamt für ländliche Entwicklung und Flurneuordnung (LELF) damals die Verunreinigung ebenfalls festgestellt hatte, wurden dem betreffenden Landwirt Auflagen erteilt. Unter anderem sollte er einen zehn Meter breiten Grünstreifen um das Wasserloch anlegen.

Auch das LELF hat den Stabeshöher Tümpel erneut überprüft, dazu weitere 14 Gewässer. Ob die verbesserten Werte auf den Schutzstreifen zurückgeführt werden könnten, sei aber fraglich, so Jens Zimmer vom Pflanzenschutzdienst. „Zum einen hatten wir im vergangenen Jahr möglicherweise mehr Niederschläge, sodass auch mehr Stoffe eingespült werden konnten. Zum anderen war der Grasstreifen im Juni, als wir die Probe entnommen haben, noch nicht optimal entwickelt“, sagt Zimmer. Nicht erklären kann er sich den hohen AMPA-Wert. „Ich bin erstaunt, dass dort Gyphosat und AMPA immer noch nachweisbar sind, obwohl dort in den letzten Monaten kein Glyphosat angewendet worden ist“, so Zimmer. Möglicherweise stammten die Spuren aus dem vergangenen Jahr. Über die Notwendigkeit eines Glyphosat-Verbotes wolle er zwar nicht spekulieren, doch rate er den Landwirten, etwas sparsamer damit umzugehen.

Keitel-Müller wirft den Behörden dagegen vor, das Problem herunterzuspielen. „Alles wird schöngeredet“, meint die Aktivistin. Dagegen billigt sie den Landwirten zumindest Unwissenheit im Umgang mit den eingesetzten Herbiziden zu. „Viele Landwirte verstehen die Packungsbeilagen gar nicht“, ist die sich sicher.

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