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Brandenburg: Auf Einnahmen verzichtet?

Immobilienaffäre um die BBG: Opposition erhebt neue Vorwürfe

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Potsdam/Oranienburg - Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) will keine „Unrechtmäßigkeit“ beim Verkauf von alten Militärflächen aus Landeseigentum in Oranienburg (Oberhavel) sehen. Auch die Brandenburgische Boden Gesellschaft (BBG) wies Vorwürfe, sie habe mit den Flächen durch In-sich-Geschäfte Reibach gemacht, zurück. Selbst Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD) kann an den Vorgängen in den Jahren 2009 bis 2011 nichts finden. Schließlich sei der frühere Flugplatz von Altmunition beräumt und erschlossen worden. „Das war ein erheblicher Aufwand“, sagt Laesicke.

Doch nach PNN-Recherchen hat das Ministerium ganz bewusst auf Mehrerlöse aus der Vermarktung der Flächen auf einem früheren Militär-Flugplatz des Sowjets verzichtet. Es geht um mehrere Millionen Euro. Wie berichtet ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam jetzt wegen des Verdachts auf schwere Untreue und hat beim Finanzministerium bereits alle Unterlagen dazu angefordert. Beschuldigte sind mehrere Personen, darunter Frank Marczinek, der frühere Chef und Inhaber der 2006 privatisierten Brandenburgischen Boden Gesellschaft (BBG).

Es geht um 65 Hektar, ein alter Hubschrauberflugplatz der Roten Armee. Die BBG verkaufte einen Teil des Geländes, nämlich 20 Hektar, im Jahr 2009 für 205 000 Euro an die Firma Berlin-Brandenburger Flächenentwicklungs GmbH (BBF), Geschäftsführer waren dort damals Reinhard Weise und Jesus Comesaña. Weise war bis 2008 selbst bei der BBG. Diese Ex-Landesfirma mit ihrem Chef und Eigentümer Marczinek war Gesellschafter bei der 2008 gegründete BBF, also bei jener Firma, an die der Flugplatz im Landesauftrag für 205 000 Euro verkauft wurde und die alles gewinnbringend weiterverkaufte. Das Areals ging an den Lebensmittelkonzern Rewe – für 5,6 Millionen Euro. Insgesamt soll kurze Zeit nach dem Verkauf des Landeseigentums die Hälfte des Flughafens für insgesamt mehr als acht Millionen weiterverkauft worden sein. „Diese explosive Steigerung ist nicht zu erklären“, findet die Staatsanwaltschaft.

Für CDU und Grüne im Landtag, wo ein Untersuchungsausschuss die Affäre um die Krampnitz-Kasernen und andere Fälle prüft, ist das ein klarer Fall von In-sich-Geschäften. Dabei wird der Preis erst niedrig gerechnet, dann Landesflächen preiswert an eigene Leute verkauft und von diesen zu einem weitaus höheren Erlös vermarktet – ohne dass das Land profitiert. Dabei agiert die BBG im Landesauftrag und soll mit üppigem Geschäftsbesorgungsvertrag ausgestattet frühere Militärflächen in Brandenburg verkaufen – und zwar zum besten Preis, der erzielt werden kann. In Oranienburg geschah dies offenbar nicht. Die BBG wies die Vorwürfe am Freitag in einer Stellungnahme zurück. Demnach hätte ein Gutachter festgestellt, dass für die BBG nach den örtlichen Bodenpreisen für Gewerbeflächen abzüglich aller Kosten für Abbruch alter Gebäude, Munitionsberäumung, Erschließung und Schaffung von Planungsrecht sogar ein negativer Verkehrswert herausgekommen wäre – theoretisch, wie die BBG selbst einräumt. Die PNN-Anfrage, wie viel die BBF dann tatsächlich dafür ausgeben musste, bliebt unbeantwortet.

Stattdessen verwies die Firma auf die Lage damals: Für die Stadt Oranienburg ging es um eine Investition von 60 Millionen Euro und 350 Arbeitsplätze, Rewe machte offenbar Druck, es musste alles ganz schnell gehen. Der Mitteilung zufolge hätte der Käufer der Flächen, an dem die Ex-Landesfirma Anteile hielt, das bewältigen können, die BBG aber nicht. Denn die frühere Landesfirma im Staatsauftrag hätte sich – so beschreibt es das Unternehmen in der Mitteilung – in seiner Funktion als öffentlicher Auftaggeber an vergaberechtliche Regelungen halten müssen. Deshalb gab es keine Ausschreibung, sondern es wurden im Rahmen eines Investorenauswahlverfahrens für die Fläche überregional Angebote eingeholt worden. „Ein spekulativer Weiterverkauf hat somit definitiv nicht stattgefunden.“ Vielmehr habe die BBF auf eigene Kosten und eigenes Risiko für Baurecht, Abriss alter Anlagen, Erschließung und Kampfmittelräumung gesorgt.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagt: „Damit wird zugegeben, dass die Vergaberegeln für öffentliche Auftraggeber ausgehebelt wurden.“ Zudem sei im Kaufvertrag zwischen BBG und BBF bewusst und mit dem Segen des Landes geregelt worden, dass bei einem Weiterverkauf an Rewe die vorgeschriebenen 50 Prozent der Mehrerlöse nicht in die Landeskasse Brandenburgs fließen. „Hier hat sich Minister Markov nicht mit Ruhm bekleckert, denn das Finanzministerium hat mit der Genehmigung des Vertrags zugestimmt und auf Einnahmen verzichtet“, so Vogel.

Doch wie konnte die noch junge, mit wenig Eigenkapital ausgestattete BBF die belasteten Militärflächen für Rewe herrichten? Die Antwort ist im Vertrag zwischen BBF und Rewe vom 16. Dezember 2009 zu finden, der den PNN vorliegt. Eigentlich sollte Rewe 5,6 Millionen Euro erst zahlen, wenn das Gelände für den Bau der Logistikzentrale komplett hergerichtet ist: keine Munition, keine Altlasten, Anschlüsse für Wasser, Abwasser, Gas, Strom, Telekommunikation und eine Straße. Das war erst ein Jahr darauf mit dem Baubeginn der Fall, im September 2011 war alles fertig. Der Vertrag sah eine Ausnahme vor, wonach Rewe schon 1,5 Millionen Euro nach Genehmigung des Vertrags zahlt. Mit diesem Geld konnte die BBF das Gelände für den Käufer baufrei machen. Als Einnahmen bleiben am Ende vier Millionen Euro.

Gegendarstellung von Frank Marczinek

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