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Großprojekt. Braunkohle wird in der Grube Cottbus-Nord seit fast einem Jahr nicht mehr gefördert – aus dem riesigen Loch soll einmal Brandenburgs größter künstlicher See entstehen. Die Flutung des Tagebaus soll im Jahr 2018 beginnen.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Aufbau Ostsee

Aus dem Tagebau Cottbus-Nord ist eine Großbaustelle geworden. 2018 soll die Grube geflutet werden und der größte künstliche See Deutschlands entstehen

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Cottbus - Es ist wie an einer dicht befahrenen Straße: Ein Lastwagen folgt auf den nächsten. Eng getaktet. Geladen haben die rund 90 gelben Fahrzeuge Erde, die sie an einer Stelle abladen, wo schon Planiermaschinen warten. Das Ganze spielt sich aber nicht an einer Straße, sondern in einem riesigen Erdloch ab. Das war einmal der Braunkohletagebau Cottbus-Nord – seit den 1980er-Jahren in Betrieb, Ende 2015 planmäßig stillgelegt und jetzt Großbaustelle. Es laufen die Vorbereitungen dafür, dass sich hier in einigen Jahren Badegäste und Angler tummeln können.

Ungefähr im Jahr 2024 soll den Planungen des Tagebaubetreibers Leag zufolge alles fertig sein. Der Cottbuser Ostsee – so der Name – werde dann der größte künstliche See Deutschlands mit einer rund 1900 Hektar großen Wasseroberfläche sein. Ab 2018 soll voraussichtlich geflutet werden. 88 Prozent des eingeleiteten Wassers sollen aus der Spree stammen, hinzu kommt noch Grundwasser.

Es ist laut in der Grube durch den Lastwagenverkehr. Riesige Erdmassen werden Stunde um Stunde bewegt, denn die Ausfahrt der ehemaligen Kohlezüge aus der Grube muss geschlossen werden. Erst dann kann Wasser eingeleitet werden. Quasi wie bei einer Badewanne. Allein 17 Millionen Kubikmeter Erde braucht es laut Leag, um den Ausgang zu schließen. Kurz vor Weihnachten 2015 fuhr hier noch der letzte Kohlezug aus der Grube. Leag verfolgt damit die Pläne konsequent weiter, die noch vom Energiekonzern Vattenfall vorangetrieben worden waren. Leag gehört zum tschechischen EPH-Konzern, der die Lausitzer Braunkohlesparte in Brandenburg und Sachsen mit vier aktiven Gruben und mehreren Braunkohlekraftwerken unlängst von dem schwedischen Staatskonzern übernommen hatte. Vattenfall trennte sich von der Braunkohle, auch um sich stärker auf erneuerbare Energien zu konzentrieren. Zum Verkauf gehörte auch die stillgelegte Grube Cottbus-Nord, die vom Tagebaubetreiber rekultiviert werden muss.

In dem riesigen Loch sind die Tagebaugeräte inzwischen abgebaut oder gesprengt worden. An einer anderen Stelle werden zurzeit Kippenbereiche, die einmal Uferteile des Sees bilden sollen, gesichert. Das Ganze nennt sich Rütteldruckverdichtung und funktioniert nach Leag-Angaben im Kern so: Eine Lanze an einem Kran fährt tief ins Erdreich und vibriert wie ein Pendel hin und her. Mithilfe von Wasser und Druckluft wird so der Boden verdichtet. Das soll überall dort am See für Sicherheit sorgen, wo Erde aufgeschüttet wurde. Dafür wendet der Tagebaubetreiber nach eigenen Angaben Millionensummen auf, um Erdrutschen vorzubeugen.

Insgesamt belaufen sich die Gesamtkosten des Ostsee-Projekts auf 250 Millionen Euro, davon seien 100 Millionen schon ausgegeben worden, heißt es. Der Tagebaubetreiber will nach der Fertigstellung des Badesees, in dem es Inseln geben soll, zunächst Seebesitzer bleiben. Wer danach übernimmt, sei noch unklar, hieß es.

Das Projekt Cottbuser Ostsee hat nicht nur Befürworter. Immer wieder äußerten Anwohner die Sorge, dass Wasser in ihre Keller laufen könnte, falls der See überlaufen sollte. Und es gibt immer wieder Bedenken der Umweltgruppe Grüne Liga zur Wasserqualität des Sees, weil die Spree an einigen Stellen erhöhte Sulfatwerte aufweist und mancherorts das Problem von Eisenhydroxid – es färbt den Fluss braun – auftaucht. Insbesondre durch hohe Sulfatwerte werde die Trinkwassergewinnung für zwei Millionen Kunden in Berlin und Brandenburg gefährdet, hieß es. Zudem würde durch das Eisenocker der Spreewald als wichtigstes Natur- und Tourismusgebiet der Region gefährdet.

„Der Steuerzahler darf weder jetzt noch später das Risiko tragen. Das wäre nichts anderes als ein Geschenk der Landesregierung an tschechische Oligarchen“, sagte Winfried Böhmer vom Aktionsbündnis Klare Spree. René Schuster von der Grünen Liga warnte vor einer allmählichen Qualitätsverschlechterung im größten Teil des Sees durch Zufluss des mit Eisen und Sulfat belasteten Grundwassers. „Viele aktuelle Hoffnungen auf Sport und Tourismus könnten dann enttäuscht werden“, sagte Schuster. Die Grünen-Fraktion im Potsdamer Landtag verlangt deshalb von der Landesregierung, verbindliche Grenzwerte für Sulfat und Eisenocker im See-Betriebsplan festzuschreiben. „Dem Bergbaubetreiber freie Hand zu lassen, bedeutet nichts anderes, als einer weiträumigen Verschmutzung von Gewässern zulasten der Allgemeinheit Tür und Tor zu öffnen“, sagte Grünen-Bergbauexpertin Heide Schinowsky.

Die Leag ist davon überzeugt, dass die Wasserqualität des Sees eine gute sein wird. Nach den noch von Vattenfall eingereichten Antragsunterlagen hatte der Bergbaubetreiber 2014 gehofft, dass die Werte für das Schwefelsalz Sulfat 500 Milligramm pro Liter nicht übersteigen. In einer Ergänzung wurde der Wert auf 600 Milligramm nach oben korrigiert. In einem Gutachten gingen Wissenschaftler der BTU Cottbus sogar von 700 Milligramm aus. Der Grenzwert für Trinkwasser liegt bei 250 Milligramm. In weiteren nachträglichen Unterlagen wies der Betreiber sogar darauf hin, dass die Steuerung der hohen Sulfatkonzentrationen gerade bei Trockenheit und Niedrigwasser in der Spree durch den Cottbuser See noch schwieriger gesteuert werden kann.

In der nächsten Woche wird es vermutlich zu dem Komplex wieder Diskussionen geben. Nach Angaben der Leag gibt es in Cottbus einen Erörterungstermin zu einem Planfeststellungsverfahren, das sich um die Befüllung des Sees dreht. Rund 2000 Einwendungen habe es zum Ostsee gegeben. Anna Ringle (mit axf)

Anna Ringle (mit axf)

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