Brandenburg: Auflagen verletzt – mit Stempel aus Indien
EU-Prüfbehörde wirft Brandenburgs Förderbank ILB im HBS-Förderskandal Verfahrensverstöße vor
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Potsdam - Niemand will die Verantwortung dafür tragen, dass Brandenburg im Förderskandal um die Firma Human Biosciences (HBS) 6,5 Millionen Euro verloren hat. Auch die nun bekannt gewordenen Ergebnisse der EU-Prüfbehörde in Brandenburgs Finanzministerium ändern nichts daran. Am Ende geht es um die Frage: Wie hält es das Land mit dem Recht, mit Vorschriften? Bei der HBS sind für kriminelle Investoren wie Gummiparagrafen gedehnt worden. Hätte sich die Landesförderbank ILB strikt an die Vorschriften gehalten, hätte die erste Fördertranche von 3,3 Millionen Euro 2011 nie gezahlt werden dürfen. Den Verlust begleicht der Steuerzahler.
ILB-Chef Tillmanns Stenger, Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) und Finanzminister Christian Görke (Linke) sehen das anders. Unisono sagten sie bei der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses des Landtags, das Land sei betrogen worden, es sei mehr als sonst geprüft worden. Im September 2012 zahlte das Land die zweite Tranche. Anfang November leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, 2015 wurden zwei HBS-Manager wegen schweren Betrugs zu Haftstrafen verurteilt. Sie wollten angeblich 42 Millionen Euro in eine Fabrik für Wundpflaster in Luckenwalde investieren. Das Land förderte trotz Warnungen. Zum Fördergeld kommen 4,6 Millionen Euro Investitionszulagen vom Finanzamt. Angeblich kaufte HBS 36 Industriekühltrockner – nur zwei kamen an. Die Firma ging pleite. Das Geld ist in Übersee, in Luckenwalde steht eine Bauruine.
Vera Fiebelkorn, Referatsleiterin im Finanzministerium und Chefin der EU-Prüfbehörde, stellte damals schwere Mängel fest und erstellte Ende Oktober 2012 einen Prüfbericht. Im Ausräumungsverfahren gelang es der ILB zwar, die Förderzahlung zu retten. HBS legte nachträglich einen Kontoauszug einer deutschen Bank vor – und die Farbkopie eines Originals einer Indischen Bank, bestätigt von einem indischen Notar. Die Prüfbehörde bestätigte dann zwar, dass die HBS-Ausgaben doch förderfähig seien. Fiebelkorn hat aber auch „Feststellungen“ gemacht, die aus einer „Auflagenverletzung resultieren“ und „nicht mehr zu heilen“ waren. Nicht nachvollziehen konnte sie, dass eine Fabrik gefördert werden sollte, obwohl für das Produkt, die Pflaster, nötige Zertifikate fehlten. Die Bestätigung einer deutschen Hausbank über die ausreichenden Eigenmitteln der HBS lag nicht vor. Die Gesamtfinanzierung konnte „nicht dargestellt werden“.
Fiebelkorn sprach von einem Verfahrensverstoß. Förderauflagen waren bei Zahlung der ersten Tranche nicht erfüllt. Es reichte den Prüfern nicht, dass für die Überweisung des Fördergelds nur das Testat eines Wirtschaftsprüfers vorlag, wonach die HBS aus eigenen Mitteln ihre Investitionen bezahlt hat. Derlei sei zwar möglich, aber nur unter strengen Voraussetzungen, so Fiebelkorn. Die ILB hätte sich nicht auf den Wirtschaftsprüfer verlassen dürfen, sondern selbst prüfen müssen. Sogar die damalige Arbeitsanweisung des Ministeriums schrieb vor, dass nur belegte Ausgaben gefördert werden dürfen. Dem war nicht so, als die HBS das Geld bekam.
Wirtschaftsminister Gerber sprach von einer zulässigen, üblichen Praxis. ILB-Chef Stenger berief sich auf „einen zweiten Halbsatz“ in den Vorschriften. Es gebe „divergierende Auffassungen“ zwischen Prüfbehörde und ILB. Und dann offenbarte er sein Verständnis von rechtsstaatlichen Verfahren. Aus Sicht der Prüfbehörde hätte die ILB den Förderbescheid, konkret die Auflagen ändern müssen, wenn sie die HBS unbedingt fördern wollte. Werden die Auflagen nicht erfüllt, gibt es kein Geld. So gilt es nach EU- und Verwaltungsverfahrensrecht. Stenger sieht das nicht so eng. Dass der HBS-Bescheid nicht geändert wurde, sei ein „formeller Mangel, ein Dokumentationsmangel“. Ob die Banken mit Häuslebauern, die Finanzämter mit Steuerzahlern auch so leger umgehen? Alexander Fröhlich
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