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Zumindest auf das Unkraut ist Verlass. Das wächst fleißig aus den Fugen des Bodenbelages auf dem Flughafengelände BER in Schönefeld.

© Oliver Mehlis/dpa

Brandenburg: Auftrag gegen Aufpreis

Staatsanwaltschaft Neuruppin beantragte Strafbefehl gegen ehemaligen BER-Technikchef Großmann

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Neuruppin - Die Strafjustiz greift im bisher größten Korruptionsskandal am neuen Berliner Hauptstadtflughafen durch: Der frühere BER-Technikchef Jochen Großmann soll wegen „Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr“ und „Betruges“ zur Verantwortung gezogen werden. Die für Korruptionsdelikte zuständige Neuruppiner Staatsanwaltschaft hat eins der beiden Ermittlungsverfahren gegen Großmann jetzt abgeschlossen. Nach PNN-Informationen hat die Staatsanwaltschaft wegen Bestechlichkeit und Betruges bereits einen Strafbefehl gegen den 56-Jährigen beantragt – und zwar auf eine Haftstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, und zur Zahlung von 200 000 Euro an die Landeskasse Brandenburgs.

Großmann wäre rechtskräftig verurteilt, wenn das Gericht dem folgt und Großmann selbst den Strafbefehl akzeptiert. Davon ist aber auszugehen, da dem Chef und Inhaber der in Dresden ansässigen Gicon-Gruppe mit 14 Firmen und 460 Beschäftigten so eine öffentliche Gerichtsverhandlung erspart bliebe. Zudem hat sich nach PNN-Informationen herausgestellt, dass Großmann bei Abrechnungen auch die Flughafengesellschaft betrogen haben soll. In das beantragte Strafmaß gingen dem Vernehmen nach sechs Fälle von vollendetem Betrug und zwei Betrugsversuche ein. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Wettbewerbsverzerrung läuft weiter. Dort geht es um verdeckte Preisabsprachen von BER-Bieterfirmen.

Die Staatsanwaltschaft hatte seit Mai gegen Großmann ermittelt, der von Flughafenchef Hartmut Mehdorn 2013 als „Retter“ auf die BER-Baustelle geholt worden war. Er soll von einem holländischen Planungsbüro, das sich um einen BER-Auftrag in Millionenhöhe bewarb, ein Bestechungsgeld in Höhe von 350 000 Euro gefordert haben. Um diese Summe sollte die Firma das Gebot erhöhen und den Aufpreis dann an Großmanns Gicon-Gruppe abführen. Die holländische Firma selbst hatte den Flughafen über den Fall informiert, woraufhin Mehdorn die Staatsanwaltschaft einschaltete. Es wurden Wohn- und Geschäftsräume Großmanns in Berlin und Dresden durchsucht, einige Kisten mit Akten und einige Terabyte Computerdaten beschlagnahmt. Mehdorn kündigte Großmann im Sommer fristlos.

Der Ex-Technikchef hatte seit 2013 das BER-Inbetriebnahmeprogramm „Sprint“ verantwortet und vor allem das Konzept entwickelt, um die außer Kontrolle geratene, nicht funktionsfähige Entrauchungsanlage im Terminal in Gang zu bringen. Das „Monster“, wie es intern heißt, wird dabei in drei beherrschbare Einzelanlagen zerlegt. An diesem Konzept halten Mehdorn und der neue Technikchef, der frühere Siemens-Manager Jörg Marks, weiterhin fest.

Dass Großmann nicht angeklagt wird, ist dennoch eine Überraschung. Das Strafbefehlsverfahren wird eigentlich vor allem in minderschweren oder in klaren Fällen angewandt, in denen nach Aktenlage entschieden werden kann. Es soll der Entlastung von Gerichten und Staatsanwaltschaften dienen, dem Beschuldigten aber auch eine schnelle, kostensparende und unauffällige Verfahrenserledigung ermöglichen, heißt es. Bei Großmann bewegt sich das Strafmaß an der Höchstgrenze, per Strafbefehl kann eine Freiheitsstrafe auf Bewährung bis zu einem Jahr verhängt werden.

Großmann, der sich zu den Ermittlungen nie äußerte und auch am Sonntag nicht erreichbar war, kommt der Ausgang ohne eine Gerichtsverhandlung dennoch entgegen. Bis zum Korruptionsskandal hatte er als Unternehmer einen guten Ruf. Er gehörte zu einem Wirtschaftsberaterkreis des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU). Noch im April war Großmann in Sachsen als zweitplatzierter „Unternehmer des Jahres“ ausgezeichnet worden, da seine Firmengruppe „in vielen Segmenten eine weltweit führende, teils sogar eine Alleinstellungsposition“ habe und ein „wichtiges Rückgrat der sächsischen Technologiewirtschaft“ sei. In Sachsen wollen die Initiatoren des Wettbewerbs, wie es heißt, die Untersuchungen abwarten, „bevor sie über mögliche Konsequenzen bezüglich der Preisvergabe entscheiden“.

Mehdorn hatte auf den Fall Großmann „persönlich tief enttäuscht“ reagiert und die rigide Linie der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) gegen Korruption bekräftigt. Erst vor wenigen Tagen hatte die FBB – offenbar mit Blick auf den nahen Ausgang der Großmann-Ermittlungen – verkündet, dass sie ihr Compliance Management zur internen Korruptionsvorbeugung und –bekämpfung verstärkt hat, mit einer neuen Stelle eines „Compliance Officers“, die mit der Rechtsanwältin und früheren Wirtschaftsstaatsanwältin Elke Schaefer besetzt wurde.

Elke Schaefer war vorher bereits Ombudsfrau der Flughafengesellschaft und der Landeshauptstadt Potsdam. Ihre Hauptaufgabe werden nun „Prävention, Aufdeckung und Reaktion auf jegliche Compliance-Verstöße sein“, hieß es. Neuer externer FBB-Ombudsmann für Korruptionsprävention ist Rainer Frank, Gründungspartner der Fachanwälte für Strafrecht am Potsdamer Platz. Der 56-Jährige soll als unabhängiger Experte Schaefer bei der Aufnahme und Verfolgung von Hinweisen auf Korruption, Betrug, Untreue oder sonstige Wirtschaftsstraftaten im Unternehmen unterstützen und als Ombudsmann auch Hinweise auf Straftaten oder schwerwiegende Ordnungswidrigkeiten von Mitarbeitern, Auftragnehmern, Dienstleistern oder Geschäftspartnern der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH vertraulich entgegennehmen. Mehdorn betonte: „Unsere Linie ist klar: Null-Toleranz bei Korruption oder anderen Verstößen.“

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