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Gegenangriff. In der von der CDU beantragten Aktuellen Stunde zur geplanten Kreisgebiets- und Verwaltungsreform griff CDU-Kommunalexpertin Barbara Richstein Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) direkt an. Der stieg danach selbst in den Ring.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Aus der Deckung

Der Landtag stritt über die geplante Kreisreform – die Emotionen schlugen hoch

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Potsdam - Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam steuert in ihrem Wachstum bis 2040 auf 200 000 Einwohner zu, während die bisher kleinste kreisfreie Stadt des Landes, Frankfurt (Oder), dann wohl weniger als 50 000 Einwohner haben wird. Das sagte SPD-Fraktionschef Klaus Ness am Donnerstag im Landtag offensichtlich schon in Kenntnis einiger Zahlen aus der erst für Anfang 2016 erwarteten neuen Bevölkerungsprognose für das Land. Damit wollte er die Notwendigkeit der geplanten Kreisgebiets- und Verwaltungsreform untermauern. Um die ging es nach dem Abschluss der 19 Regionalkonferenzen zu den rot-roten Plänen nun in einer Aktuellen Stunde des Parlamentes. Beantragt worden war diese von der CDU-Opposition. Und es ging hoch her.

Für die CDU kritisierte Kommunalexpertin Barbara Richstein die Reform als unausgegoren. Es gebe keine solide Analyse, warum es so große Regionalkreise geben solle, die im Leitbild formulierten Richteinwohnerzahlen seien lediglich mit Erfahrungswerten begründet, sagte sie etwa. „Die geplante Verlagerung von Aufgaben aus der Landes- auf die Kreisebene rechtfertige die Reform nicht“, warnte Richstein. Innenminister Karl-Heinz Schröter warf sie „Arroganz der Macht“ vor und wendete sich auch direkt an Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). „Herr Ministerpräsident! Sie scheinen es nicht zu verstehen, Kurs zu halten!“ Alles sei genauso wie damals bei der Polizeireform, der verunglückten also. Richstein zitierte den Potsdamer Politikwissenschaftler Jochen Franzke, der auf den regierungsamtlichen Konferenzen im Podium als Experte aufgetreten war – und danach öffentlich der rot-roten Regierung das „Fehlen eines zukunftsweisenden Projektes“ vorgehalten hatte.

Regierungschef Woidke, der zum wichtigsten Projekt seiner rot-roten Koalition lange geschwiegen hatte, ging diesmal selbst in den Ring. Er erinnerte die Union daran, dass sie in der letzten Legislaturperiode selbst den Anstoß für der EnqueteKommission des Landtages gegeben hatte, die am Ende klaren „Veränderungsbedarf“ festgestellt und Empfehlungen gegeben hatte. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er an der Reform festhalten wird. Natürlich gebe es Verunsicherung, „doch es kommt darauf an, Brandenburg auch in seinen Verwaltungsstrukturen fit für die nächsten 25 Jahre zu machen“, sagte er. Denn die Reform sei nicht nur wegen der sinkenden Einwohnerzahlen nötig. „In den nächsten Jahren geht ein Drittel des Personals der öffentlichen Verwaltungen in den Ruhestand“. Es drohe ein Fachkräftemangel, worauf reagiert werden müsse. Der Regierungschef ging auch auf die bisher kreisfreien Städte Brandenburg, Cottbus und Frankfurt (Oder) ein, die ihre Kreisfreiheit verlieren sollen. Es sei nötig, diese Städte zu stärken, wegen der Einwohnerentwicklung, wegen der Kassenkredite. „Die Situation ist besorgniserregend.“ Denn die bisherige Schwäche kreisfreier Städte wie Cottbus habe negative Auswirkungen auf die Region. „Wenn Cottbus niest, kriegt die Lausitz Schnupfen.“ Auch Innenminister Schröter appellierte, den Kurswechsel jetzt einzuleiten. „Nicht nur in der Wirtschaft gilt: Die entscheidenden Fehler werden nicht in den Krisenzeiten, sondern in den fetten Jahren gemacht.“ In der Bundesrepublik gebe es selten ein Erkenntnisproblem, aber oft ein Umsetzungsproblem.

Der Linke-Abgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg setzte sich vor allem mit der CDU und Richstein auseinander. „Ich fordere Sie auf, endlich Ihre Beobachterrolle aufzugeben, ihre anmaßende Schiedsrichterrolle!“ Er warnte die märkische Union, die Blockadepolitik gegen die Reform fortzusetzen. „Irgendwann kommen Sie an den Punkt, wo sie sich von der Position, die sie eingenommen haben, nicht mehr wegbewegen können.“

Scharfenberg räumte aber ein, dass es bei den öffentlichen Dialogveranstaltungen im Land „nicht gelungen ist, ganz normale Bürger zu erreichen.“ Warum die Linkspartei dann jetzt Abstriche an der Reform auf den Weg brachte, dazu sagte Scharfenberg nichts.

Massive Kritik an den rot-roten Plänen übten die Freien Wähler und die AfD, während für die Grünen die Kommunalexpertin Ursula Nonnemacher Nachbesserungen an den Plänen forderte – und klare Prämissen formulierte. Die Kommunalisierung von hochspezialisierten Landesaufgaben wie im Umweltschutz setze dann mehr Personal auf Kreisebene voraus, „Abstriche an der Qualität sind mit uns nicht zu machen“, sagte Nonnemacher.

Mit einem Fundamental–Angriff sorgte Christoph Schulze von den Freien Wählern für Unruhe. Er warf SPD und Linken „Wahlbetrug“ vor, kanzelte Scharfenberg in einem Zwischenruf als „Wendehals“ ab, was den Linke-Abgeordneten am Rednerpult regelrecht in Rage brachte. „Das Christoph, das war jetzt unter aller Sau!“

nbsp;Thorsten Metzner

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