Von Alexander Fröhlich: Aus Wachen werden jetzt Reviere
Innenminister Woidke (SPD) rückt deutlich von den Vorgaben seines Vorgängers Speer ab
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Potsdam - Der Termin war klug gewählt. Auf den Tag genau vor zwei Monaten, am 6. Oktober, wurde Dietmar Woidke (SPD) im Landtag als neuer Innenminister vereidigt. Am gestrigen Montag, dem 6. Dezember, hat er erstmals deutlich gesagt, was bislang nur aus seinem Umfeld durchgesickert war, aber eine deutliche Abkehr von der Polizeireform seines Vorgängers Rainer Speer (SPD) bedeutet. Die bisher 50 Wachen im Land bleiben „bis auf Ausnahmen als Dienststellen erhalten“ und damit Anlaufstellen für die Bürger, sagte Woidke. Auch von Speers bisheriger Zielmarke von künftig nur noch „15 plus x“ Vollwachen bis zum Jahr 2020 hat sich Woidke distanziert, in der er „nie eine gelungene semantische Formel“ sah. Stattdessen soll es in den 15 Schutzbereichen jeweils eine rund um die Uhr besetzte Inspektion mit Führungsstab geben, die die Einsätze der Streifenwagen und den Wach- und Wechseldienst steuert.
Hinzu kommen 35 Polizei-Reviere ohne Führungsmannschaft. Über deren Zuschnitt in den künftig vier Polizeidirektionen werden die Aufbaustäbe entscheiden, die Woidke nach dem nächste Woche anstehenden Landtagsbeschluss zur Polizeireform einberufen will. „Ausstattung mit Personal und Öffnungszeiten werden flexibel sein, so wie es die Situation erfordert“, sagte Woidke. Es werde Reviere geben, die etwa nur saisonal und zu Spitzenzeiten rund um die Uhr, ansonsten nur tagsüber besetzt sind. Als Beispiel nannte der Minister Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin), wo sich im Sommer täglich bis zu 60 000 Touristen tummeln.
Die Tonlage bei Woidke ist anders, der bereits als „Kommunikator der Polizeireform“ tituliert wurde und ein Mammutprogramm mit Besuchen in 11 Schutzbereichen, beim Landeskriminalamt (LKA) und den beiden, vor der Fusion stehenden Präsidien absolviert hat. Speer hatte noch im Sommer bei der Vorstellung der Eckpunkte der Radikalreform flapsig jede Kritik abgebügelt. Neben den 15 Vollwachen hätte es in Speers Konzept nur „Garagen mit Waffenschrank“ gegeben, bei Woidke ist nun von Revieren die Rede. Damit besänftigt der neue Minister, zwei Monate nach seinem Antritt die Kritiker der Reform, geht auf die verbreiteten Ängste vor mangelnder Polizeipräsenz ein.
Woidke möchte eine „möglichst flexible Lösung“, um in „fünf Jahren auf Veränderungen vor Ort reagieren zu können, ohne gleich eine neue Strukturreform zu machen zu müssen“. Das hat vor allem mit der unterschiedlichen Kriminalitätslage und den auseinanderklaffenden Perspektiven für verschiedenen Regionen zu tun. Während in den Randregionen die Bevölkerung schrumpft, steigen die Einwohnerzahlen im Speckgürtel um Berlin – und damit die Kriminalität. „In Oranienburg werden wir mehr Einwohner haben als in der gesamt Prignitz.“ Dennoch will Woidke eine größt mögliche Präsenz der Polizei auch in der Fläche erhalten. In der zunehmend alternden Bevölkerung gebe es ein hohes Sicherheitsbedürfnis – „dem kann man nicht mit der Statistik kommen“. Das Ministerium wolle kein „Schema F“ für die künftigen Strukturen vorgeben, sondern die Fachleute vor Ort einbinden.
Allerdings will Woidke weiterhin die Zahl der Beamten um 1900 auf 7000 senken. Es gebe sogar eine Lücke von 1000 Beamten, weil zahlreiche Polizisten in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Daher müssen verstärkt junge Polizisten an der Fachhochschule ausgebildet werden, was Woidke wegen der Lage auf dem Ausbildungsmarkt und fehlendem Nachwuchs Sorgen bereit. Allerdings soll es im Wach- und Wechseldienst (1950 Stellen) und bei den Revierpolizisten (549 Stellen) keine Kürzungen geben. Das Modell der Revierpolizisten – neuerdings per Laptop mit Zugriff aufs Polizeinetz ausgestattet – soll sogar ausgebaut werden. In den Führungsstäben können durch die Fusion der Präsidien mit dem LKA und den Wegfall in 35 Wachen rund 800 Stellen eingespart werden.
CDU-Innenexperte Sven Petke sprach von einem „kleinen Schritt in die richtige Richtung“. Ein dauerhafter Erhalt der „Wachen in der Fläche des Landes ist mit 7 000 Polizisten aber nicht möglich.“
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