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Brandenburg: Aussage gegen Aussage – Freispruch für Diestel

Letzter DDR-Inneminister gewinnt Rechtsstreit gegen Liedermacher Wolf Biermann in Potsdam

Stand:

Potsdam - Vehement hatte Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel (53) am ersten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht bestritten, selbst gegen Recht und Gesetz verstoßen zu haben. Der Vorwurf reicht noch in seine Zeit als letzter Innenminister der DDR zurück. Diestel soll seinen damaligen Büroleiter sowie zwei seiner Leibwächter angestiftet haben, in einem Zivilrechtsstreit zwischen ihm und dem Liedermacher Wolf Biermann vor dem Landgericht die Unwahrheit zu sagen.

Rückblende: 1998 erzählte Biermann in einer Fernseh-Talkshow von einem Besuch bei dem damaligen Innenminister im Juli 1990. Der aus der DDR Ausgebürgerte trug sich zu jener Zeit mit dem Gedanken, nach Berlin zurückzukehren. Diestel – so die Aussage Biermanns – habe ihm bei dieser Gelegenheit berichtet, sich unlängst ein preisgünstiges Haus (Gemeint ist seine einstige Villa am Zeuthener See im Wert von 770 000 Mark, die er für einViertel des Preises erwarb.) besorgt zu haben. „Mir wollte er auch eins beschaffen“, so der Liedermacher. Peter-Michael Diestel stellte diese Äußerung in Abrede, klagte gegen Biermann. Der benannte seine Ehefrau als Zeugin des Gesprächs. In dem 2001 geführten Zivilprozess behaupteten dann sowohl die Bodyguards als auch der Ex-Büroleiter Diestels, Wolf Biermann habe den Minister alleine besucht. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, die einstigen Diestel-Mitarbeiter haben gelogen. Jetzt saßen sie wegen uneidlicher Falschaussage auf der Anklagebank. Neben ihnen der Ex-Minister.

„Biermann kam alleine“, wiederholte Diestel vor dem Amtsgericht. „Er wollte von Hamburg nach Berlin übersiedeln.“ Während ihres Treffens habe er das Ansinnen an ihn gestellt, für seine Verdienste um die deutsche Einheit ein ehemals von der Staatssicherheit als konspirativen Treffpunkt genutztes Haus in Grünheide, gegenüber dem Wohnsitz seines Freundes, des Regimekritikers Robert Havemann, geschenkt zu bekommen. „Ich äußerte Bedenken gegen Biermanns Idee. Eine Schenkung war in der Rechtsordnung der damaligen DDR nicht vorgesehen“, betonte Diestel. Dessen einstige Mitarbeiter bekräftigten zum Prozessauftakt ihre Aussagen, bei jenem Besuch keine Frau an Biermanns Seite gesehen zu haben.

„Ich fuhr mit meiner Frau Pamela zu dem Treffen in der Mauerstraße“, betonte der Liedermacher. Am Eingang des Ministeriums habe sie „ein Volkspolizist auf den Haken genommen“ und durch das Labyrinth der Gänge geführt. Jener Uniformierte habe übrigens später an Eides statt erklärt, Frau und Herrn Biermann zu Diestel gebracht zu haben. „Ich bin vielleicht ein Dummkopf, aber so dumm bin ich nicht, dass ich mir vom Minister des Inneren ein Haus schenken lassen will. Ich habe genug Geld, eines zu kaufen“, raunzte Biermann, der seinen Auftritt im Zeugenstand sichtlich genoss. Es dauerte nicht lange, und er beschimpfte seinen Kontrahenten auf das Übelste, musste vom Vorsitzenden zur Ordnung gerufen werden.

Pamela Biermann (42) – ebenso redegewandt wie ihr Gatte – schilderte amüsiert, wie Peter-Michael Diestel bei jenem Ministerbesuch „demonstrativ seinen riesigen Oberkörper zur Schau stellte“. „Dass wir ein Haus geschenkt bekommen wollten, ist glatt gelogen. Wir wollten eins kaufen. Anlass unseres Besuchs war aber, unter welchen Bedingungen mein Mann wieder in die DDR eingebürgert werden könne.“

Nach mehr als zehnstündiger Verhandlung erinnerte sich eine ehemalige Sekretärin, Biermann und „eine weibliche Person“ an jenem Tag bei ihrem Vorgesetzten gesehen zu haben. „Ob es sich dabei um seine Ehefrau handelte, weiß ich natürlich nicht. Aber sie war wesentlich jünger als der Sänger.“

So stand Aussage gegen Aussage. Das Amtsgericht sprach alle vier Angeklagten – Diestel und seine einstigen Mitarbeiter – gestern Abend nach schier endlosen Verhandlungen frei. Die Staatsanwaltschaft hatte für Diestel elf Monate Haft auf Bewährung und für die übrigen Angeklagten Geldstrafen gefordert.

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