zum Hauptinhalt
Überschwemmt. Der Landwirt Manfred Hauche aus Neuranft (Märkisch-Oderland) begutachtet eine unter Wasser stehende Ackerfläche. Die Landwirte könnten im Oderbruch weder ernten noch mit der Rapsaussaat beginnen.

© Patrick Pleul/dpa

Von Alexander Fröhlich: Badewanne Oderbruch unter Wasser

Zehntausende Hektar Land sind überflutet, die Bauern fürchten um ihre Ernte

Stand:

Wriezen – In diesen Tagen erlebt das Oderbruch im Osten Brandenburgs das stärkste Hochwasser seit Jahrzehnten. Felder und Siedlungen, insgesamt mehrere 10000 Hektar stehen bis zu 40 Zentimeter unter Wasser, Keller sind überflutet. Dabei steht die Oder am Fuße des Deichs, der Pegel liegt knapp unter der ersten Hochwasserwarnstufe. „Das ist ein einmaliges Phänomen, ein Binnenhochwasser“, sagt der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude. „Das Oderbruch hat in den vergangenen 180 Jahren nichts Vergleichbares erlebt, das Wasser steht höher als jemals in den gewässerkundlichen Jahrbüchern erwähnt.“ Bei Gusow ist die Pegellatte, wo der aktuelle Stand abzulesen wäre, unter der Wasseroberfläche verschwunden, immerhin schon mehr als 30 Zentimeter, „wir haben das mit dem Zollstock nachgemessen“, sagt Freude.

Nach einer Krisensitzung des Landkreises Märkisch-Oderland am Freitag ist eine schnelle Besserung nicht in Sicht, denn das Wasser fließt zu langsam ab. „Das kann noch Wochen dauern“, sagt Freude. Das weit verzweigte Grabensystem und die Alte Oder können die Wassermengen nicht mehr fassen. Das Oderbruch, 60 lang, 15 Kilometer breit, vor 250 Jahren vom Alten Fritz im Zuge der Begradigung der Oder trockengelegt und ein paar Meter tiefer gelegen als der Grenzfluss, läuft seit Monaten voll wie eine Badewanne. Erst der Winter mit viel Schnee, dann das Oderhochwasser im Mai, das Grundwasser stand hoch. „Die Gräben waren randvoll“, so Freude. Das Oderbruch zum Überlaufen brachte starker Regen, vor mehr als einer Woche waren es binnen drei Tagen 200 Liter pro Quadratmeter – ganze 20 Eimer und mehr als ein Drittel der jährlichen Niederschlagsmenge.

Die Feuerwehren und das Technische Hilfswerk haben seither voll zu tun. „Wir pumpen die Keller leer, von Feldern drückt das Wasser über das Grundwasser wieder hinein, das ist ein Kreislauf“, erklärt ein Sprecher des Landratsamtes. „Eigentlich können wir gar nichts machen.“ Landwirte in der Region gehen von Schäden in Millionenhöhe aus. „30 Prozent des Getreides stehen noch am Halm und können nicht geerntet werden“, sagt Henryk Wendorff, Chef des Bauernverbands in Märkisch-Oderland. „Auch der Mais steht noch, Ernte ist Mitte September. Wir hoffen, dass die Pflanzen durchhalten, nach ein paar Tagen im Wasser fallen sie um.“ Die Ackerflächen mit ihrem fruchtbaren Boden stünden zur Hälfte im Wasser oder sind so durchnässt, dass dort Traktoren und schweres Gerät nicht fahren können. Die anstehende Aussaat sei unmöglich, daher die Ernte 2011 in Gefahr. Landwirt Carsten Stahl aus Neutrebbin sagt: „Falls so etwas öfter passiert, dann sind sämtliche Betriebe im Oderbruch gefährdet.“

Für Umweltamtspräsident Freude sind solche extremen Wetterereignisse jedenfalls „keine Ausnahme mehr“, für das Oderbruch seien aber „viele unglückliche Faktoren“ zusammengekommen. Inzwischen wird im Kreis der Notfallplan für ein solches Binnenhochwasser überarbeitet. Experten des Umweltamtes und des Gewässer- und Deichverband Oderbruch (GEDO) reparieren mit Hochdruck Erdwälle und Schöpfwerke, die Alte Oder und Vorfluter wurden bereits verstärkt entschlammt und beräumt, damit das Wasser schneller abfließt. Seit dem letzten, kleineren Binnenhochwasser 2008 steckte das Umweltamt mehr als zwei Millionen Euro in das Sofortprogramm – „alles ökologisch bedenklich, genau das Gegenteil von Renaturierung. Aber wir sind lernfähig in solchen Extremlagen“, so Freude. Landwirt Wendorff sagt zur neuen Strategie des Landes: „Das fordern wir seit Jahren. Die Wasserläufe müssen wieder in Ordnung gebracht werden. Ansonsten müssen wir immer wieder damit rechnen, dass wir absaufen, dann ist das Leben hier grundsätzlich infrage gestellt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })