Brandenburg: Bakschisch vom Scheich?
Chipfabrik: Ermittler überprüfen, ob bei Brandenburgs Vorzeige-Pleite ein Minister geschmiert wurde
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Potsdam - Die Ermittler hatten sich verschätzt: Der VW-Polo, mit dem sie gestern Morgen Punkt 9 Uhr vor der Staatskanzlei der Landesregierung in der Potsdamer Heinrich-Mann-Allee vorgefahren waren, war zu klein. Sie mussten einen zweiten Wagen ordern, um alle Akten zum Kriminalfall „Chipfabrik/Fürniß“ von der Staatskanzlei in eine Außenstelle des Landeskriminalamtes (LKA) und zur Staatsanwaltschaft Potsdam fahren zu können.
Es geht um ein 1,3-Milliarden-Projekt, mit dem Brandenburg es allen zeigen und ein High-Tech-Land werden wollte. Um ein Prestige-Projekt, das Brandenburg schließlich bundesweit zum Synonym für Größenwahn und Verschwendung beim Aufbau Ost gemacht hat. Am Ende war es nicht mehr als Erich Honeckers 1-Megabit-Chip, mit dem die DDR Weltspitze werden sollte und sich doch nur blamierte. Von der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) – von Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) und seinem damaligen Chef, Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) mit viel Trara und trotz vieler Warnungen auf den Weg gebracht – ist nur ein undichter Rohbau geblieben. Ein steinernes Mahnmal, dass der Staat seine Finger von Wirtschaftsprojekten lassen sollte, von denen er nichts versteht. Über 100 Millionen Euro öffentlicher Mittel sind nach Schätzungen in das Pleite–Projekt geflossen.
Zeitgleich haben gestern Morgen 60 LKA-Beamte und zehn Staatsanwälte aus Potsdam in Brandenburg, Berlin, Bayern und Hessen Ministerien, Banken, Büros und Privatwohnungen durchsucht. Ihr Ziel: Unterlagen, die belegen, dass Brandenburgs einstiger Wirtschaftsminister gemeinsam mit seinem damaligen Staatssekretär Wolfgang Vogel durch Entscheidungen zum Nachteil des Landes Haushaltsuntreue begangen hat. Fürniß soll den Landtag und die Landesregierung bewusst mit falschen Informationen über die Erfolgsaussichten des Prestigeprojekts gespickt, Minister und Abgeordnete getäuscht haben. Vogel soll von den Lügen seines Ministers gewusst haben.
Doch schwerer wiegt wohl der Vorwurf gegen Fürniß, er sei bestechlich gewesen, habe sich von einem der in Geld schwimmenden Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate „schmieren“ lassen. Wissen muss man, dass die Emirate, vor allem Dubai als Hauptfinanzier der Chipfabrik durchs eigene Interessen verfolgten. Nach Frankfurt (Oder) sollte eine zweite Chipfabrik in Dubai gebaut werden. Deshalb hatte Dubai ein Interesse, das Land möglichst stark einzubinden. Fürniß, dass ist bekannt, hat immer wieder Druck gemacht: „Die Scheichs sind in Berlin, sie reisen ab, wenn wir ihnen nicht entgegenkommen.“ So kam es zur Landesbeteiligung. Fürniß hat Verquickungen immer bestritten, aber tatsächlich sind ihm im Februar und September 2002 insgesamt 1,5 Millionen US-Dollar auf sein Konto bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse überwiesen worden. Den Sparkassen-Mitarbeitern hat es zunächst die Sprache verschlagen. Zwar überwies Fürniß 500 000 Dollar im September zurück – aber erst, nachdem die Sparkasse einen Geldwäsche-Verdacht geäußert und Ermittlungen begonnen hatten. Die Million von Februar war schon ausgegeben – angeblich zur Begleichung von Steuerschulden.
In Berlin stellten die Fahnder gestern Chipfabrik-Akten bei der Deutschen Bank, der Commerzbank und der holländischen AMB-AMRO-Bank sicher, außerdem bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KMPG. In Frankfurt/Main besuchten sie fünf Geldinstitute, die entweder Kredite für die Chipfabrik bewilligt oder aber abgelehnt hatten – darunter wiederum Deutsche, Commerz- und AMRO-Bank. In Potsdam klingelten die Fahnder bei Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Vogel in der Böcklinstraße. Und natürlich stellten sie Unterlagen im Finanz-, Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium sicher sowie in der Staatskanzlei sicher. Außerdem in der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) und in Büros des Landtages.
In München schließlich öffnete Ex-Minister Fürniß den Fahndern, die mit Verstärkung der bayerischen Polizei erschienen waren, die Haustür. Selbst die frühere Wohnung von Ex-Chipfabrik-Chef Abbas Ourmazd in Berlin ließen die Ermittler nicht aus: Sie fanden allerdings nichts, die Wohnung steht leer, Ourmazd ist längst wieder in den USA.
Die Durchsuchungsaktionen dauerten mancherorts bis weit in den Nachmittag hinein. Nur in der Staatskanzlei mussten sich die Ermittler beeilen: Um 13.30 Uhr begann dort die gemeinsame Kabinettssitzung der Landesregierungen von Berlin und Brandenburg. „Hinter Platzeck und Wowereit konnten wir doch nicht mit den Kisten voller Beweismittel herumlaufen“, so ein Ermittler.
Ob die Akten-Ausbeute allerdings ergiebig ist, bleibt abzuwarten. Insider sind skeptisch: „Viele wichtige Unterlagen sind in der Landesregierung verschwunden“, sagen sie. Auch der Rechnungshof, der im Oktober erstmals den Untreue-Verdacht äußerte, stellt in seinem Jahresbericht fest: Das Wirtschaftsministerium sei selbst innerhalb einer fünfmonatigen Frist nicht in der Lage gewesen, „wichtige Unterlagen beizubringen“. Über den Verbleib habe es nichts sagen können. Möglicherweise gerät jetzt auch Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ins Blickfeld der Staatsanwaltschaft: Er soll Fürniß im September 2002 von den damaligen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche- und Korruptions-Verdachts vorab informiert haben, so dass Fürniß gewarnt war. Das Verfahren wurde damals eingestellt. Schönbohm bestreitet den Vorwurf, doch in Ermittler-Kreisen spricht man von einer „unglücklichen Konstellation“. Von den Durchsuchungen jedenfalls erfuhr Schönbohms Innenministerium gestern sicherheitshalber erst, als alles vorbei war.
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