Brandenburg: Bald zappenduster
Um die Zukunft des ICC wird politisch gestritten. Doch die Kosten der Sanierung will niemand tragen
Stand:
Berlin – Am 6. März 2014 ist Schluss. Einen Tag vorher wird im Berliner ICC noch die Internationale Tourismus-Börse eröffnet. Es dürfte die letzte Veranstaltung im vielfach preisgekrönten Kongressgebäude am Messedamm sein. Anschließend gehen dort die Lichter aus. Die zuständigen Stellen bereiten nach Informationen dieser Zeitung bereits ein Konzept für die Schließung vor. Dazu gehören die Messe GmbH, die Wirtschafts- und Stadtentwicklungsverwaltung des Senats, Tüv und Feuerwehr.
„Das Internationale Congress Centrum soll risikofrei in den Stillstandsbetrieb versetzt werden“, bestätigte der Sprecher der Messe GmbH, Michael Hofer. „Alle sind eingebunden, um eine vernünftige Lösung dafür zu finden.“ Die Vorbereitungen sollen Ende des Jahres, spätestens aber im Frühjahr 2014 abgeschlossen sein. Denn nach Einschätzung des Tüv Rheinland ist der Kongressbetrieb im ICC nur noch eingeschränkt möglich. Ab Januar 2014 muss jede Veranstaltung, die dort stattfinden soll, vom Tüv einzeln genehmigt werden.
Um das zu verstehen, muss man wissen, dass der Bau mit der markanten Aluminiumfassade eine äußerst komplizierte Maschine von gigantischen Ausmaßen ist. Deren technische Anlagen sind laut Expertengutachten schon seit Jahren „alterungsbedingt verschlissen“. Außerdem gibt es im ICC 6541 Asbestfundstellen, davon 354 mit „dringendem Handlungsbedarf“. Dokumentiert wurde dies schon im Oktober 2010; und die amtlichen Asbest-Richtlinien schreiben vor, dass drei Jahre nach erfolgter Dokumentation die Sanierung begonnen werden muss. „Oder die Nutzung des Gebäudes ist einzustellen.“
Die Lage ist so ernst, dass der Zustand des Kongresszentrums in der neuen Grundlagenvereinbarung zwischen Senat und Messe GmbH, die ab 2014 gilt, eindringlich beschrieben und zudem festgelegt wurde, dass „Art und Umfang der erforderlichen Stilllegungsmaßnahmen zwischen den Vertragsparteien abgestimmt werden“. Der noch im Bau befindliche City Cube am Standort der ehemaligen Deutschlandhalle gilt als vollwertiger Ersatz für das ICC.
Wenn das Gebäude, vorläufig oder für immer, geschlossen wird, reicht es nicht aus, die Türen zu verriegeln. „Es darf nicht schimmeln, nicht brennen und kein Rohrbruch passieren“, fasst Messe-Sprecher Hofer die wichtigsten Vorsorgemaßnahmen zusammen. Türen und Fenster müssten ausreichend gesichert werden, für einen Wachschutz will die Messe möglichst kein Geld ausgeben. Höchstens zwei Millionen Euro jährlich soll der Ruhestand des ICC kosten. Die Wirtschaftsverwaltung wiegelt noch ab. Eine endgültige Stilllegung sei „nicht Beschlusslage in Senat und Parlament“, teilte ein Sprecher am Donnerstag mit.
Im Kampf um das Schicksal des Internationalen Congress Centrums (ICC) sind in der rot-schwarzen Koalition die Fronten verhärtet. Während in der SPD-Fraktion nicht nur über eine Schließung nachgedacht, sondern sogar der Abriss ins Auge gefasst wird, wollen die Christdemokraten das West-Berliner Baudenkmal gern retten. Wenn auch nicht um jeden Preis. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) wies am Donnerstag noch einmal darauf hin, dass für das ICC mithilfe privater Investoren eine neue Nutzung gesucht werde. Nur dann ist Berlin bereit, 200 Millionen Euro öffentliche Gelder in die Sanierung zu stecken.
Das Beratungsunternehmen Drees & Sommer sei beauftragt, eine internationale Martktabfrage durchzuführen „und auf Grundlage der Ergebnisse wirtschaftlich tragfähige Konzepte für Nutzung, Sanierung und Finanzierung“ des Kongressgebäudes zu entwickeln, teilte ein Sprecher der Wirtschaftsverwaltung mit. „Marktinteresse vorausgesetzt“ werde dieses Konzept bis zum Frühjahr 2014 entwickelt. „Eine Schließung oder Stilllegung des ICC, außer in der Phase der Sanierung, ist nicht Beschlusslage in Senat und Parlament.“ Das ist formal korrekt: Der Senat will sich erst im nächsten Jahr wieder mit dem Schicksal des ICC befassen. Und die Regierungsfraktionen SPD und CDU müssen sich noch dazu durchringen, die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Denn es gibt keine Anzeichen dafür, dass ein privater Investor bereit wäre, dreistellige Millionenbeträge in den technisch völlig maroden und asbestverseuchten Bau am Rand der City West zu stecken.
Das ICC, am 2. April 1979 eröffnet, kostete damals 473 Millionen Euro. Zehn Jahre früher, im ersten Planungsstadium, hatte der damalige Senat noch behauptet, man käme mit 60 Millionen Euro aus. Die oppositionelle CDU kritisierte während der Bauphase heftig die stets fehlende Kostentransparenz und die FDP forderte zeitweise sogar einen Baustopp und die Umwidmung in ein Kongresshotel. Aber die SPD-Regierung ließ zu Ende bauen – und so entstand am Messedamm eines der größten Kongresshäuser der Welt. 320 Meter lang, 80 Meter breit und 40 Meter hoch.
Sehr problematisch waren von Anfang an die hohen Betriebskosten und die Anfälligkeit der komplizierten Gebäudetechnik. Nur zehn Prozent der Gesamtfläche ist für Veranstaltungen nutzbar, der Rest sind Foyers, Flure und Wirtschaftsräume. Dennoch erzählt das ICC eine Erfolgsgeschichte. Bis heute fanden dort mehr als 8000 Kongresse mit mehr als sechs Millionen Teilnehmern statt, von denen fast die Hälfte aus dem Ausland nach Berlin kamen. Außerdem wurden etwa 1800 Unterhaltungsveranstaltungen mit knapp fünf Millionen Besuchern gezählt. Noch im Geschäftsjahr 2012 erzielte das ICC mit 22 Millionen Euro Umsatz das viertbeste Ergebnis seiner 33-jährigen Geschichte.
Trotzdem ist das ICC, betriebswirtschaftlich gesehen, ein Klotz am Bein der landeseigenen Messegesellschaft und rundherum sanierungsbedürftig. Seit fast 15 Jahren wird über eine grundlegende Modernisierung, eine Schließung oder den Abriss nachgedacht.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: