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Angst vor EHEC: Bauern bleiben auf ihrem Gemüse sitzen
UPDATE. Wegen der EHEC-Infektionen meiden die Verbraucher selbst Melonen und Salate. Die regionalen Erzeugern drohen immense Verluste.
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Potsdam/Berlin - Was sonst als gesund gilt, wird mittlerweile als potenziell gefährlich gemieden. Immer mehr wird die Furcht vor dem Darmbakterium EHEC auch zu einem wirtschaftlichen Problem für die Obst- und Gemüsebauern im Land Brandenburg. Zwar haben Experten des Hamburger Instituts für Hygiene und Umwelt und der dortigen Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz den Erreger Enterohämorrhagische Escherichia coli bislang nur bei Salatgurken aus Spanien und einer weiteren Gurke ungeklärter Herkunft nachgewiesen. Trotzdem erweisen sich in den Regalen der Bioläden und Supermärkte der Hauptstadtregion auch Tomaten, Blattsalate und anderes Gemüse immer mehr zu Ladenhütern. „Rückmeldungen aus unseren Betrieben haben ergeben, dass bereits breit georderte Mengen storniert werden“, bestätigte Andreas Jende, Geschäftsführer des Brandenburgischen Landesverbandes Gartenbau, am Freitag den PNN.
Aufgrund der eingebrochenen Nachfrage rechnet der Verbandsgeschäftsführer „zwangsläufig mit großen Umsatzeinbußen“ für die märkischen Erzeuger. Auf einigen Höfen soll es nach Verbandsangaben sogar zu ersten Entlassungen gekommen sein. Insgesamt gehören der Dachorganisation 240 Mitgliedsbetriebe an, davon etwa 140 aus dem Bereich Obst und Gemüse. Sowohl Händler auf Wochenmärkten als auch Großhändler der Region wollten bereits bestellte Waren nicht mehr abnehmen, berichtete Jende weiter. „Betroffen sind nicht nur Gurken und Tomaten, sondern auch Mairüben, Radieschen und sogar Melonen.“ Um weiteren Schaden abzuwenden, müssten Verbraucher noch besser aufgeklärt werden. „Wir gehen davon aus, dass sämtliches Obst und Gemüse, das im Land Brandenburg angebaut wird, unbedenklich ist", sagte Jende. „Für Gurken und Tomaten können wir das sogar versichern.“
Wie den Bauern im Land Brandenburg geht es derzeit auch ihren Kollegen in ganz Norddeutschland. Überall werfen sie wegen des EHEC-Erregers tonnenweise Salatköpfe, Tomaten und Gurken auf den Müll. „Allein in Niedersachsen haben fünf Großabnehmer im Einzelhandel ihre Gemüsebestellungen storniert“, beklagte gestern auch Axel Boese von der Fachgruppe Gemüsebau Norddeutschland.
Doch nicht nur konventionelle Erzeuger, sondern auch Bio-Produzenten leiden unter der Verunsicherung der Verbraucher. Wie die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) bestätigte, würden in vielen Läden „grüne Salate und Gemüse“ liegen bleiben. Eine Erfahrung, die auch Georg Kaiser, Geschäftsführer der Bio-Supermarktkette Bio-Company, bestätigte: „Auch wir spüren die Verunsicherung. Unsere Kunden fragen verstärkt, wo unsere Ware herkommt und ob sie mit Gülle gedüngt wird.“
Insgesamt betreibt die Bio-Company 20 Läden in Berlin und Brandenburg sowie eine weitere Filiale in Hamburg. Zwischenzeitlich wurde der Verkauf von Gurken gestoppt, mittlerweile sind sie wieder im Angebot. Auf einen Erzeuger aus Italien wird aber weiterhin verzichtet. „Derzeit beziehen wir unsere Gurken von nur zwei Lieferanten. Ein Erzeuger sitzt in Hamburg, der andere im Land Brandenburg“, sagte Kaiser gestern. Keiner der beiden setzte Gülle zur Düngung ein. Wirtschaftliche Schäden für den Handel befürchtet der Bio-Company-Chef nicht. „Die Menschen müssen ja trotzdem etwas essen und steigen dann eben auf Konserven um. Bitter ist die Situation für die Gemüsebauern“, meinte Georg Kaiser.
Das sieht auch Burkhard Paschke, Vertriebsleiter beim Bio-Großhändler Terra Naturkost aus Berlin, so. „Die bleiben alle auf ihren Produkten sitzen und Salat zum Beispiel lässt sich ja nicht lagern. Da landen täglich Millionen auf dem Müll.“ Wie Bio-Company hat auch der Großhändler bereits reagiert. Vorsorglich werde Terra Naturkost in den kommenden Tagen keine Salatgurken aus Spanien mehr anbieten, informiert das Unternehmen auf seiner Internetseite. Allerdings, sagte Paschke, sei auch die Nachfrage der Einzelhändler nach anderen Gemüsesorten zurückgegangenen. „Vor allem nach Blattsalat. Da haben wir heute rund 65 Prozent weniger verkauft“, sagte der Vertriebsleiter am gestrigen Freitag.
In manchen Supermärkten der Region scheint man offenbar bereits eine Lösung für das derzeit ungeliebte Grünzeug gefunden zu haben. Tafeln und Suppenküchen des Landes berichteten gestern, das sie zunehmend mehr Gurken aus Supermärkten geliefert bekämen, da deren Kunden diese offenbar immer mehr meiden würden. Sie befürchte, dass viele Supermärkte die Gurken aus dem Regal nehmen und dann die Tafeln damit überhäufen könnten, sagte etwa die Chefin der Tafel in Frankfurt (Oder), Maria Conze.
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