
© Andreas Wilhelm
Von Andreas Wilhelm: Baumbauern gesucht
Eine Raffinerie braucht bald jede Menge Holz. Doch die Landwirte sind beim Pappellanbau skeptisch
Stand:
Waldsieversdorf – Es könnte so schön und einfach sein: Unabhängig vom Preisdiktat der Ölförderstaaten wird in Brandenburg aus heimischem Holz Diesel für Pkw hergestellt. So rein soll er sein, dass er in jedem herkömmlichen Dieselautos ohne Zusatzinvestitionen getankt werden kann. Schon im nächsten Jahr soll die Investitionsentscheidung für ein Werk der Firma Choren in Schwedt (Uckermark) fallen. Am Ende sollen dann jährlich 200 000 Tonnen (270 Millionen Liter) des sogenannten Sun-Diesels aus einem Hahn strömen – hergestellt zum Großteil aus schnellwachsenden Pappeln von märkischen Äckern. Das Projekt ist weltweit bislang einzigartig. Volkswagen und der Öl-Konzern Shell haben sich unter anderem bei Choren eingekauft.
Nur ein Frage ist noch ungeklärt: Wo soll das Holz herkommen? Brandenburgs Bauern sperren sich noch gegen den Holzanbau auf ihren Äckern. Für die Raffinerie würden jährlich etwa eine Million Tonnen Trockenholz gebraucht, das zu Schnitzeln zerhackt, dann vergast und gereinigt werden muss. Für die gute Ökobilanz und niedrige Transportkosten wäre Holz aus der Region schön.
Dazu müsste es Pappelplantagen geben – und genau davor scheuen die Bauern noch zurück. Bäume wachsen eben im Wald und nicht auf dem Acker. Beim Landesbauernverband meint man, die Landwirte seien deswegen so skeptisch, weil die Fläche mit dem Anbau von Bäumen für die normale Landwirtschaft erstmal verloren ist. Ungewohnt ist für den Bauern etwa, dass er bei Pappeln drei Jahre auf die Ernte warten müsste. Denn frühestens dann bringt der Baum, der rund einen Meter pro Jahr wächst, die ersten Erträge.
Zudem seien vorher immense Investitionen nötig, wie Karsten Lorenz vom Landesbauernverband betont. Neben Bewässerungsanlagen auf schlechten, bisher stillgelegten Äckern, müssten Zäune zum Schutz vor Rehwild um die Plantagen gezogen werden. Und nicht zuletzt müssten sich Landwirte völlig neue Erntegeräte anschaffen, sagt Lorenz. Mit dem Mähdrescher komme man eben bei der Pappelernte nicht weit. Angesichts dessen setze der Bauer doch lieber auf Altbewährtes. Daran hat bisher auch die Tatsache nichts geändert, dass das Agrarministerium auch für Holzanbau eine Subvention parat hat: Den Bauern werden beim Anbau der sogenannten Kurzumtriebler 45 Prozent der Anbaukosten aus der Steuerkasse überwiesen.
Weitere Hilfe könnte aus dem Labor kommen. Denn um den Holzanbau mittelfristig wirtschaftlicher für die Bauern zu machen, versuchen sich Wissenschaftler im brandenburgischen Waldsieversdorf an einer Art Turbopappel. Dafür kreuzen Forstgenetiker am Heinrich-von-Thünen-Institut in Waldsieversdorf verschiedene Pappelsorten, um eine schneller wachsende und ertragsstärkere Pflanze zu schaffen. Für Institutsleiter Dietrich Ewald stehen die Modellplantagen für die Mark in China: „Am Gelben Fluss gibt es Bestände auf 30 000 Hektar.“ Er und sein Team experimentieren auch mit Bakterien. Die winzigen Helfer aktivieren Hormone bei den Bäumen, die sie schneller wurzeln und wachsen lassen. Damit die Bauern sich der Pappelanbau auch tatsächlich lohnt, soll nun auch die Widerstandsfähigkeit der Bäume gegen Pilze verbessert werden.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat zwar Bedenken gegen großflächige Pappelplantagen und Monokulturen. Doch Nabu-Agrarexperte Florian Schöne sieht in der Pappel die Energiepflanze mit der meisten Potenz. „Mais zum Beispiel sollte nur maximal 50 Kilometer transportiert werden, um ihn als Energiepflanze einzusetzen“, sagt Schöne. Nur so werde für Transport und Verarbeitung nicht mehr Energie verbraucht als am Ende gewonnen. Zudem sei die Pappel anspruchslos und könne auch auf ertragsarmen, für den Lebensmittelanbau ungeeigneten Flächen gedeihen.
Solche eher mageren Flächen, aber auch gute Äcker versuchen sich derzeit Energiekonzerne wie Vattenfall und RWE zu sichern. Sie wollen selbst großflächig in den Holzanbau einsteigen, um sich nachwachsende – subventionierte – Rohstoffe zu sichern. Für die Energiekonzerne handelt es sich um langfristige Investitionen.
Für die Bauern, die kurz- bis mittelfristig rechnen müssen, lohne sich der Anbau von Pappeln und anderen „Kurzumtrieblern“ einfach noch nicht, sagt Henryk Stolte von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe. 700 Euro pro Hektar und Jahr könne man nach heutigem Stand mit Trockenholzanbau erwirtschaften. Doch wegen der hohen Investitions- und Unterhaltungskosten seien erst nach zehn Jahren schwarze Zahlen möglich. Die wenigsten Bauern wollen so lange warten und auch nicht drei Jahre bis zur ersten Ernte. Stolte glaubt aber, dass das Schnellwachsholz attraktiver werden kann – wenn der Ölpreis steigt. „Dann wird auch der Anbau von Holz für Energie attraktiver.“
Choren schaut sich derweil auch in Polen und Mecklenburg-Vorpommern nach Land für Baumplantagen um. Während der Startphase wird die Anlage in Schwedt nun zunächst größtenteils mit Recyclingholz und Holz aus Wäldern betrieben. Frühestens in zehn Jahren werde man wohl zumindest die Hälfte des Holzes von Baumbauern beziehen können.
Andreas Wilhelm
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: