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Von Matthias Matern: Bedrohung durch Armut ist rückläufig Volkssolidarität kritisiert Statistik als geschönt

Berlin/Potsdam - In der Region Berlin-Brandenburg sind weniger Menschen von Armut bedroht als noch vor einem Jahr. Aktuell laufe jeder siebte Einwohner Gefahr, in die Armut abzurutschen, teilte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am Mittwoch mit.

Von Matthias Matern

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Berlin/Potsdam - In der Region Berlin-Brandenburg sind weniger Menschen von Armut bedroht als noch vor einem Jahr. Aktuell laufe jeder siebte Einwohner Gefahr, in die Armut abzurutschen, teilte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am Mittwoch mit. Vor zwölf Monaten war es noch jeder sechste. Bemessungsgrundlage ist die Armutsgefährdungsquote der Europäischen Union. Demnach ist von Armut bedroht, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens zur Verfügung hat. Bei der jüngsten Untersuchung bezogen sich die Statistiker auf das Jahr 2008.

Für das Land Berlin weist das Amt für Statistik derzeit eine Quote von 14,3 Prozent (2009: 17,5) aus und für das Land Brandenburg 13,8 Prozent (17,4). Der Bundesdurchschnitt liege bei 14,4 Prozent. Innerhalb der beiden Länder aber machten die Statistiker nach wie vor deutliche Unterschiede aus. So beträgt die Quote etwa in Berlin-Zehlendorf nur 5,2 Prozent, im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg jedoch 22,9 Prozent. Somit sind dort durchschnittlich mehr Menschen von Armut bedroht als in der märkischen Kommune mit dem schlechtesten Ergebnis. Schlusslicht in der Mark ist die Stadt Cottbus mit einer Armutsgefährdungsquote von 20,2 Prozent, nach Frankfurt (Oder) mit 19,9 Prozent und dem Landkreis Prignitz mit 19,3 Prozent. Die niedrigste Quote weist der Landkreis Potsdam-Mittelmark auf. Dort beträgt der Anteil der gefährdeten Einwohner lediglich 6,7 Prozent. Vergangenes Jahr waren es 8,5 Prozent. Die Quote der Landeshauptstadt Potsdam verbesserte sich von 14,8 Prozent auf 12,1 Prozent.

Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske (SPD) bestätigte gestern die Zahlen zwar, warnte jedoch davor „Hitlisten“ der Armutsgefährdung aufzustellen. Allerdings sei Armut vor allem ein großes Problem in den ostdeutschen Bundesländern, meinte Baaske. Bedroht seien besonders Alleinerziehende. Baaske verwies außerdem auf das Problem der vererbten Armut. Kritik übte der Minister zudem an der schwarz-gelben Bundesregierung, die nach wie vor einen gesetzlichen Mindestlohn „kategorisch“ ablehne.

Anne Böttcher, Geschäftsführerin des Landesverbandes Brandenburg der Arbeiterwohlfahrt, führte den Rückgang der Armutsgefährung auf die parallel gesunkenen Arbeitslosigkeit zurück. „Armut kann nur durch Arbeit verhindert werden.“ Allerdings sei es dabei unabdingbar, so auch Böttcher, dass die Betreffenden von den Löhnen auch leben könnten.

Kritik an der Arbeit der Landesstatistiker übte gestern Bernd Niederland, Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität. „Gemessen am entsprechenden Bundesdurchschnittseinkommen sind die Quoten für Berlin und Brandenburg höher“, so Niedermann. So seien laut Statistischem Bundesamtes 2008 in Berlin 18,7 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet gewesen, statt der vom regionalen Amt ausgewiesenen 14,3 Prozent. „Für Brandenburg werden 16,8 Prozent statt 13,8 Prozent verzeichnet.“ Es entstehe der Eindruck, als wenn politische Vorgaben dafür sorgen würden, dass mit Hilfe des niedrigeren Einkommensdurchschnitts für Berlin und Brandenburg als Maßstab die Lage als „nicht so schlimm“ dargestellt werden solle, bemängelte er, kritisierte jedoch auch scharf das Sparpaket der Bundesregierung. „Statt Armut und ihre Ursachen zu bekämpfen, sollen ausgerechnet diejenigen geschröpft werden, die ohnehin bereits sozial benachteiligt sind.“

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