Brandenburg: Bedrückende Stille
Nachbarn wie Politiker kommen zur Berliner Polizei, um des getöteten Beamten Uwe Lieschied zu gedenken
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Berlin - Auf der Berliner Wache des Abschnitts 55 klingeln die Telefone, Uniformierte hetzen am Mittwochmorgen die Treppen hoch und runter. Alltagsbetrieb bei der Polizei im Neuköllner Rollbergviertel – so scheint es. Doch ein paar Schritte weiter herrscht bedrückende Stille: In dem abgedunkelten Zimmer nebenan ist nur das Kratzen des Kugelschreibers zu hören, der auf die Seiten des Kondolenzbuches drückt. Das Foto des getöteten Polizisten Uwe Lieschied wird gesäumt von zwei weißen Kerzen. Kollegen und Anwohner gedenken des 42-jährigen Hauptkommissars. Heute wird ein Trauermarsch um 15 Uhr vom Präsidium am Platz der Luftbrücke zum Tatort in die Fontanestraße ziehen.
Uwe Lieschied erlag am Dienstag seinen schweren Verletzungen. Er war am Freitagabend mit zwei Kollegen als Zivilstreife in der Fontanestraße unterwegs. Bei einer Routinekontrolle schoss ein Unbekannter auf die Beamten. Lieschied wurde dabei tödlich getroffen. Der Täter, der wenige Minuten vor den Schüssen eine Frau ausgeraubt hatte, flüchtete in die Hasenheide. Von ihm fehlt bisher jede Spur.
Der Abschnitt 55 im Rollbergviertel war Lieschieds Dienststelle. Der Vater zweier 16 und 18 Jahre alter Söhne war Leiter des Streifendienstes und seit 24 Jahren bei der Polizei. „Ein Vorbild für seine Kollegen“, wie Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte. Gleich am Mittwoch früh ist Heinz Haberland, Schulleiter an der Kurt-Löwenstein-Oberschule, zum Abschnitt gegangen, um sich ins Kondolenzbuch einzutragen. Seine Schule liegt nur wenige Meter vom Tatort entfernt. „Wir kannten den Polizisten persönlich“, sagt der Schulleiter. Wenn es mal wieder Stress mit „Schulfremden“ gegeben habe, sei Uwe Lieschied mit einem Kollegen vom Abschnitt vorbeigekommen, um für Ruhe zu sorgen. „Nach dem Verbrechen waren die Schüler geschockt. Eine geplante Klassenfete habe ich ausfallen lassen“, erzählt Haberland. Die Schüler hätten die Entscheidung verstanden. An der Stelle, wo der Hauptkommissar erschossen wurde, flackern rote Grablichter, Blumen und Gestecke hängen am Zaun. Immer wieder kommen Anwohner und verharren an der Stelle. Eine Frau, die ihren kleinen Sohn an der Hand hält, legt einen Strauß nieder. Darüber hängt ein Zettel mit der Aufschrift „Menschheit, wie weit bist Du gesunken?“ Der Kiez sei eigentlich freundlich. „Neukölln ist auch ein Stück Freiheit“, meint eine Frau.
Lieschieds Kollegen vom Streifendienst, die den Kiez kennen, sehen das momentan wohl anders: Sie sind bis auf Weiteres krank geschrieben. Der Schock sitzt noch zu tief, als dass sie wieder zum Alltag zurückkehren könnten. Auch zum Präsidium am Platz der Luftbrücke strömen am Mittwoch die Menschen, hier liegt ebenfalls ein Kondolenzbuch aus: Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat darin sein Beileid bekundet, Polizeipräsident Glietsch hat eine ganze Seite gefüllt. Beim Eintrag des Regierenden Bürgermeisters finden sich dagegen nur zwei Worte: Klaus Wowereit. Tanja Buntrock
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