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Brandenburg: Begrenzte Reisefreiheit

Im Landtag wird über die Reise- und Fortbildungskosten für Abgeordnete debattiert

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Potsdam - Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) sieht akuten Klärungsbedarf bei den Reisekostenregelungen für brandenburgische Landtagsabgeordnete. Er wolle auf der nächsten Sitzung des Landtagspräsidiums die entsprechende Reiserichtlinie thematisieren, sagte Fritsch gestern in Potsdam. Hintergrund ist ein Streit um eine für den Mai geplante zehntägige Israelreise von sechs SPD-Abgeordneten, die vom Reiserecht nicht gedeckt ist, aber genehmigt wurde. Jeder Abgeordnete hat für eine Legislaturperiode (fünf Jahre) ein Reisebudget von 2500 Euro.

Die sechs Sozialdemokraten hatten einen gemeinsamen Antrag auf Reisekostenübernahme von je 1600 Euro an die Landtagsverwaltung gestellt. Doch solche Gruppenreisen sieht das Reiserecht des Parlaments ausdrücklich nicht vor: Um die Bildung von Vergnügungsreisegruppen zu verhindern dürfen Abgeordnete nur allein zu politisch motivierten Reisen aufbrechen oder aber in Gremien wie etwa Fachausschüssen. Dass sich sechs Abgeordnete einer Fraktion, die noch dazu alle unterschiedliche Fachbereiche vertreten, das gleiche Reiseziel aussuchen, sei bisher noch nicht vorgekommen, so Fritsch. Er habe die Reise der SPD-Abgeordneten etwa dennoch befürwortet, da sie aus Anlass des 60. Jahrestages der Gründung des Staates Israel stattfinden soll, so Fritsch gestern. Die Reise stehe im Zeichen der deutsch-israelischen Völkerverständigung. Die sechs Abgeordneten haben sich zu einer – allgemein zugänglichen – Reise der deutsch-israelischen Gesellschaft angemeldet. Die Fahrt ist politisch geprägt, aber nicht gesondert auf Politiker zugeschnitten. Fritsch räumte denn auch auf Nachfrage ein, dass eine ähnlich angelegte Gruppenreise – etwa aus Anlass des Jubiläums eines afrikanischen Staates – von ihm nicht befürwortet worden wäre.

Fritsch hatte das Landtagspräsidium in einer sogenannten „Ausnahmeentscheidung im Umlaufverfahren“ um Zustimmung zur Reise gebeten. Die Linke hatte sich enthalten, ebenso CDU-Fraktionsvize Barbara Richstein. Die rechtsextreme DVU hatte die Genehmigung abgelehnt.

Die SPD-Fraktion verteidigte gestern ihre sechsköpfige Reisegruppe. Fraktionschef Günter Baaske nannte die Diskussion „aberwitzig“, der einzig nicht-politische Termin der Reise sei ein Altstadtbummel an einem Nachmittag. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Christoph Schulze, räumte lediglich einen „typischen Anfänger-Fehler“ seiner sechs Fraktionskollegen ein: Hätten die sechs statt eines gemeinsamen sechs einzelne Anträge gestellt, wären diese ohne Probleme genehmigt worden. Dem widersprachen Landtagspräsident Fritsch als auch der Direktor der Landtagsverwaltung, Detlef Voigt, vehement. „Das wäre ein klarer Umgehungstatbestand“, so Fritsch. „Die These von Herrn Schulze halte ich für sehr, sehr kühn“, sagte Voigt.

Schulze hingegen hat die Landtagsverwaltung um eine Aufstellung darüber gebeten, welcher Abgeordnete welcher Fraktion bisher wohin auf Landtagskosten vereist sei. Sein Ziel: Die Doppelmoral der Kritiker der Israel-Reise bloßstellen.

Aber auch die Kosten für Englisch- oder Rhetorikkurse übernimmt die Landtagsverwaltung in Einzelfällen. So haben in den Jahren 2006 und 2007 insgesamt sechs Parlamentarier einen Rhetorikkurs auf Landtagskosten besucht. Alle Rednerschüler waren aus der CDU-Fraktion – darunter auch Fraktionschef Thomas Lunacek, Bildungspolitiker Ingo Senftleben und Fraktionsvize Richstein. Peter Tiede

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