
© Kitty Kleist-Heinrich
Brandenburg: BER-Anwälte: Air Berlin kann ja gehen
Die Fluggesellschaft verklagt den Flughafen auf Schadenersatz – und bekommt kuriose Antworten
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Berlin - Mit kuriosen Argumenten versuchen die Anwälte der Flughafengesellschaft Schadenersatzansprüche aus der geplatzten Eröffnung des neuen Flughafens Berlin Brandenburg (BER) abzuschmettern. Air Berlin, der größten Kundin der Berliner Flughäfen, teilten sie mit, dass sie ja nicht gezwungen sei, in Berlin zu starten, sondern auch den Standort wechseln könnte. Als erste betroffene Luftverkehrsgesellschaft hatte das Unternehmen bereits vor Jahresfrist Klage erhoben. Am 15. Januar wird nun die erste mündliche Verhandlung vor dem Potsdamer Landgericht stattfinden. Air Berlin konnte ihr Umsteige-Drehkreuz in Berlin wegen der Enge in Tegel nicht im geplanten Umfang ausbauen. Einige Partnergesellschaften aus dem Airline-Bündnis Oneworld stellten ihre Pläne, die deutsche Hauptstadt anzufliegen, vorerst zurück.
Kein Grund für Schadenersatzforderungen meinen die Anwälte der im Auftrag des Flughafens tätigen Kanzlei in einem Schriftsatz, der dieser Zeitung in Auszügen vorliegt. „Der Einsatz der im Eigentum der Fluggesellschaft stehenden Fluggeräte ist an keinen Standort gebunden“, heißt es dort. „Gerade die Entwicklung im Luftverkehr in den letzten Jahren hat gezeigt, dass Fluggesellschaften weltweit dazu übergehen, ihre Fluggeräte dort einzusetzen, wo sie die höchste Auslastung und den höchsten Preis pro Passage erzielen können.“ Und weiter: Air Berlin „stand und steht es jederzeit frei, ihren Flugbetrieb in Berlin einzuschränken, umzustrukturieren oder zu verlagern.“
Liest man die Argumente der Flughafenanwälte kommen Zweifel auf, ob der neue BER überhaupt gebraucht wird. Tatsächlich sei der Flughafen Tegel „vollständig funktionsfähig und einschränkungslos in der Lage, den für BER geplanten Flugbetrieb im Rahmen des Berliner Flughafensystems abzuwickeln“, heißt es dort. Dabei hatte selbst der damalige Flughafenchef Rainer Schwarz nach der geplatzten BER-Eröffnung vor dem Abgeordnetenhaus einräumen müssen: „Auch wenn jetzt alle Flüge untergebracht werden können, heißt das nicht, dass die Air Berlin zu 100 Prozent befriedigt werden kann, weil sie versucht hat, unter der Zugrundelegung der Infrastruktur des neuen Flughafens wesentlich mehr Umsteigeverkehr zu generieren.“ Dass Passagiere durch die Furcht vor „chaotischen Zuständen“ in Tegel abgeschreckt werden könnten, weisen die Anwälte ebenfalls zurück. Tatsächlich herrscht auf dem Airport zu Spitzenzeiten ein heilloses Gedränge. International wird die Qualität eines Terminals nach dem Platz bemessen, der jedem Fluggast zur Verfügung steht. Die Klasse A gilt als optimal, E als unzumutbar. Thomas Weyer, einst Technik-Chef der Berliner Flughäfen und jetzt Geschäftsführer des Münchner Airports, stuft Tegel in die Kategorie D ein – mit zeitweiligen Ausrutschern in Richtung E. Wegen der Enge müssen Reisende in Berlin auf sonst gewohnte Serviceleistungen verzichten. Gerade Umsteiger haben es schwer, insbesondere der Transitbereich für Passagiere von außerhalb des Schengen-Raums gilt in Airline-Kreisen als Zumutung.
Bei der laufenden Feststellungsklage geht es zunächst einmal um die Frage, ob Air Berlin überhaupt berechtigt ist, Ansprüche gegenüber der Flughafengesellschaft geltend zu machen. Erst wenn dies vom Gericht bestätigt wird, kann über konkrete Schadenersatzforderungen debattiert werden. Das Landgericht hat den Streitwert zunächst auf 30 Millionen Euro festgelegt. Der scheidende Air-Berlin-Vertriebsvorstand Paul Gregorowitsch hat aber bereits deutlich gemacht, dass es letztendlich um einen dreistelligen Millionenbetrag geht.
Die Klage von Air Berlin war noch vom damaligen Vorstandschef der Fluggesellschaft, Hartmut Mehdorn, initiiert worden. Inzwischen ist Mehdorn Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafenbetreibergesellschaft und hatte anlässlich seines Wechsels erklärt, dass er sich aus dem Rechtsstreit heraushalten werde. Mehdorn unterzeichnete dann aber doch einen Kompromissvorschlag an seinen früheren Arbeitgeber, der als inakzeptabel zurückgewiesen wurde. Offiziell war von beiden Seiten keine Stellungnahme zu erhalten.
Rainer W. During
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