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Schwarzarbeit: BER-Sicherheitslücke kein Einzelfall

Deutscher Gewerkschaftsbund berichtete über mehrere ähnliche Fälle an der Flughafenbaustelle. Bauverbände fordern schärfere Kontrollen

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Schönefeld - Nach der Enthüllung von Sicherheitslücken auf der Baustelle des Großflughafens BER in Schönefeld wirft die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB Berlin-Brandenburg, Doro Zinke, der Flughafengesellschaft Gutgläubigkeit im Umgang mit den am Bau beschäftigten Unternehmen vor. „Der Flughafenbetreiber verlässt sich auf das gegebene Wort der Unternehmen, obwohl solche Tricks in der Branche bekannt sind“, kritisierte Zinke am Donnerstag auf PNN-Nachfrage. Das RBB-Nachrichtenmagazin Klartext hatte am Mittwoch wie angekündigt berichtet, wie rund 60 osteuropäische Bauarbeiter trotz vorgesehener Kontrollen unbehelligt auf die BER-Baustelle gebracht wurden, um dort zu Dumpinglöhnen zu arbeiten.

Gekleidet waren die Arbeiter mit Westen der Berliner Gebäudereinigungsfirma Gegenbauer. Eigentlich ist das Betreten des Geländes laut Flughafengesellschaft nur unter Vorzeigen eines speziellen Baustellenausweises möglich. Außerdem müsse eine gültige Sozialversicherungskarte vorhanden sein. Zudem würden von allen am Bau beteiligten Firmen Tariftreueerklärungen verlangt. In einer ersten Stellungnahme hatte der Flughafen am Mittwoch mitgeteilt, man könne den Fall „nach internen Erkundigungen“ nicht bestätigen. Gestern räumte die Gesellschaft aber ein, es gebe auch Ausnahmeregeln für den Zugang zum Gelände. Demnach könnten einzelne Firmen ihre Mitarbeiter mit einem Sammelausweis per Bus auf die Baustelle bringen, bis die individuellen Baustellenausweise ausgestellt seien. Dabei müsste jedoch bei jeder Passage die vollständige Namensliste der an Bord befindlichen Personen vorgelegt werden, erklärte Flughafensprecher Ralf Kunkel. Die Firma Gegenbauer sei eine von drei Firmen, für die dieses Prozedere eingerichtet worden sei. Insgesamt gehe es um rund 300 Beschäftigte, darunter Bauarbeiter, Reinigungskräfte und Wachpersonal. „Natürlich haben wir bereits mit der Firma Gegenbauer gesprochen. Dort muss nun der Fall geklärt werden.“ Aus deren Marketingabteilung hieß es gestern nur, man habe den Fall an die operative Geschäftsführung weitergeleitet und werde sich informieren. Weitere Fragen wurden bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.

Brisant ist, der Protagonist in dem Beitrag behauptet, ihm seien lediglich fünf Euro Stundenlohn versprochen worden, also weit unter dem geltenden Mindestlohn für Gebäudereiniger und knapp die Hälfte des Mindestlohns der Baubranche. Weder der Protagonist noch der Kameramann hätten zum Zeitpunkt der Dreharbeiten auf irgendeiner Namenliste gestanden, teilte das RBB-Rechercheteam gestern den PNN mit. Beide hätten sich zudem stundenlang unbehelligt auf dem Gelände bewegen können. Brandenburgs Landesregierung als einer der drei Gesellschafter gab keine Stellungnahme ab.

Der TV-Protagonist erzählt auch, er habe seinen Job verloren und ausstehender Lohn sei ihm nicht ausgezahlt worden, nachdem er den ihm zugewiesenen Mittelsmann in Deutschland nach weiteren Details gefragt hatte. Laut DGB ist das kein Einzelfall am BER. Sowohl aus dem vergangenen als auch dem laufenden Jahr seien solche Machenschaften bekannt. „Es nützen die besten Regeln nichts, wenn sie nicht kontrolliert werden“, meinte Zinke. Im Dezember hatte ein Fall für Schlagzeilen gesorgt, bei dem ungarische Arbeiter in ihrer Heimat von einer Firma aus Bad Reichenhall für die BER-Baustelle angeworben worden waren, später aber um ihren Lohn geprellt wurden.

Die Bauwirtschaft verlangt gestern rasche Aufklärung. „Wenn das stimmt, haben wir ein Problem“, meinte der Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg, Axel Wunschel. Immerhin sei der BER die Musterbaustelle schlechthin. „Bisher sind wir davon ausgegangenen, dass dort ein lückenloses Sicherheitssystem durchgesetzt wird“, meinte Wunschel. Wie DGB-Landeschefin Zinke forderte auch der Geschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau, Reinhold Dellmann, schärfere Kontrollen. „Das Sicherheitssystem am Flughafen an sich ist sicherlich gut, aber es scheint so zu sein, dass es nicht zu jedem Zeitpunkt eins zu eins umgesetzt worden ist“, sagte er.

Roswitha Schier, CDU-Arbeitsexpertin in Brandenburgs Landtag, sieht Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in der Verantwortung: „Wenn Platzeck von ,guten Lohn für gute Arbeit‘ spricht, muss das auch für das Prestigeprojekt BER uneingeschränkt gelten. Wenn sich die Fakten bestätigen, ist er in Erklärungsnot.“

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