zum Hauptinhalt
Auch Brandenburg stellt sich auf deutlich mehr Flüchtlinge ein als bisher prognostiziert. Ministerpräsident Woidke (SPD)verlangt mehr Unterstützung von Bund.

© dpa

Flüchtlinge im Land Brandenburg: Bereits 23 Angriffe auf Flüchtlinge seit Januar

In Brandenburg werden Asylbewerber zunehmend zur Zielscheibe für Rechtsextreme. Allein in diesem Jahr wurden 23 Angriffe registriert.

Potsdam - Die Zahl der Angriffe auf Asylbewerber und deren Unterkünfte in Brandenburg haben in den vergangenen Monaten dramatisch zugenommen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres verzeichnete das brandenburgische Innenministerium 23 solche Übergriffe. Das geht aus der Antwort von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion Die Linke hervor, die den PNN vorliegt.

Sachbeschädigungen und Körperverletzungen sind am häufigsten

Die meisten der Straftaten gegen Flüchtlinge machen dabei nach Angaben des Inneministeriums Sachbeschädigungen und Körperverletzungen aus, je sechs wurden registriert. In fünf Fällen kam es zu Beleidigungen. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 gab es 36 Attacken – die höchste Zahl seit 2010. Darunter waren elf Körperverletzungen und neun Sachbeschädigungen. Für 2013 weist die Statistik 15 Angriffe aus. Im laufenden Jahr gab es zudem fünf Übergriffe auf Helfer der Flüchtlinge und 23 rassistisch motivierte Straftaten, die sich nicht gegen Asylbewerber richteten.

Zugleich nimmt auch die Zahl rechtsextremer Proteste zu: Zwar wurden im ersten Halbjahr 2015 nur 70 Demonstrationen durchgeführt, davon 60 Anti-Asyl-Proteste. Im Vorjahreszeitraum registrierte das Innenministerium 84 solcher Versammlungen. Der Unterschied: 2014 waren ein Großteil davon - bedingt durch Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen - von der NPD oder ihrer Jugendorganisation angemeldet (82 von 84). Die Partei führte damals zahlreiche Kundgebungstouren durch, bei denen oft nicht mehr als eine Handvoll Teilnehmer an einem Tag gleich in mehreren Orten demonstrierte. Gerade einmal 17 Teilnehmer waren es im Schnitt.

Mehr als 5300 Teilnehmer an rechtsextremen Versammlungen allein in diesem Jahr

In diesem Jahr wurden bei rechtsextremen Versammlungen insgesamt bereits mehr als 5300 Teilnehmer gezählt, im Durchschnitt 76. Nur noch ein Bruchteil der Proteste (30 von 70) wurde von der NPD oder ihrer Parteijugend organisiert. Vor allem abendliche Demonstrationen nach dem Vorbild der Dresdener Pegida-Bewegung machen einen Großteil der Aktionen aus. Und auch neue Organisationen wie die Neonazi-Splitterpartei „Der III. Weg“ werden zunehmend aktiv. Bis Anfang August fanden sechs Demonstrationen der Partei statt.

„Der III. Weg“ fällt vor allem durch seinen äußerst radikalen Kurs auf. Die Mitglieder vertreten einen strammen Neonazismus in der nationalrevolutionären Tradition, der Name erinnert an das Dritte Reich. Die Kleinstpartei, die neben Brandenburg bundesweit mehrere Ableger hat, wird hierzulande von Maik Eminger geführt. Der Verfassungsschutz misst ihm eine bundesweite Bedeutung in der Neonazi-Szene bei, sein Zwillingsbruder ist Angeklagter im NSU-Prozess.

Die Neonazi-Splitterpartei "Der III. Weg" ist zunehmend aktiv

Zuletzt sorgte „Der III. Weg“ mit einer digitalen Karte unter dem Namen „Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft“ für Aufmerksamkeit: Darin eingetragen waren Adressen von existierenden oder geplanten Flüchtlingsunterkünften, was wie ein indirekter Aufruf zu Anschlägen wirkte. Auf der Webseite der Partei ist auch ein Leitfaden zu finden, wie man den Bau von Asylheimen verhindert. Die auf Google Maps veröffentlichte Web-Karte wurde von dem Internetkonzern gelöscht, mittlerweile ist sie auf anderen Plattformen jedoch wieder online.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hatte jüngst vor „Der III. Weg“ gewarnt: Die Partei mache vor Ort gezielt Stimmung, bis Einzelne zu Straftaten bereit seien. Ein Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes nannte die Partei gegenüber der ARD „geistige Brandstifter“.

Innenminister warnt vor einer Zunahme politisch motivierter Übergriffe

Auch Brandenburgs Innenminister Schröter warnt angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen – für Brandenburg werden in diesem Jahr nach jüngsten Prognosen 24 650 Menschen erwartet – vor einer Zunahme politisch motivierter Übergriffe. Es werde zum Schutz der Asylbewerber regelmäßig eine Beurteilung der Gefährdungslage durchgeführt, sagte er. Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) appelliert indes an die Bevölkerung: „Das Einzige, was wirklich hilft, ist ein Klima von Toleranz und Freundlichkeit, in dem solche Übergriffe geächtet sind.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false