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Software gegen Einbrecher: Berlin jagt mit Software Einbrecher – Potsdam wartet ab

Neues System soll Einbrüche vorhersagen. Software sei aber keine Wunderwaffe

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Berlin/Potsdam - Rote und gelbe Kästchen auf einer Stadtkarte am Computer sollen die Berliner Polizei künftig schneller auf die Spur von Serien-Einbrechern bringen. Die Behörde setzt neuerdings auf eine selbst entwickelte Prognose-Software, die Polizeipräsident Klaus Kandt und Innensenator Frank Henkel (CDU) am Mittwoch präsentierten. Das Ganze wird „Predictive Policing“, also voraussagende Polizeiarbeit genannt.Ziel ist es, Einsatzkräfte schneller und gezielter an vermutlich gefährdete Orte zu schicken. Dort sollen sie entweder Täter abschrecken oder womöglich auf frischer Tat ertappen.

Brandenburg dagegen wartet noch ab: Ein entsprechendes Projekt wird bereits seit Anfang 2015 geprüft, wie eine Sprecherin des Innenministeriums den PNN am Mittwoch erklärte. Das Polizeipräsidium sei mit einer ergebnisoffenen Analyse und Machbarkeitsprüfung beauftragt worden. „Neben der Bewertung der rechtlichen und technischen Voraussetzungen sollen dabei auch bundesweite und internationale Erfahrungen berücksichtigt werden“, so die Sprecherin. Eingesetzt werden soll die Methode im Zuge der Prüfung vor allem im Speckgürtel, wie aus einer jüngst veröffentlichten Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht.

Allerdings strebt Brandenburg wegen der Nähe zu Berlin eine Zusammenarbeit mit dem Nachbarland an. Denn im Speckgürtel wurden 2015 laut Ministerium 59 Prozent aller in Brandenburg angezeigten Wohnungseinbruchsdiebstähle registriert. Ohnehin sei von länderübergreifend agierenden Tätergruppen auszugehen. Deshalb gibt es seit 2005 eine gemeinsame Ermittlungsgruppe. Sie ist für schwere Eigentumskriminalität und Diebesbanden zuständig.

Am weitesten verbreitet ist inzwischen in Deutschland das Programm „Precobs“. Das Verfahren analysiert auf der Grundlage von Daten wie Ort, Zeitpunkt und andere Merkmale einzelne Wohnungseinbrüche und berechnet das Verhaltensmuster der Täter sowie die Wahrscheinlichkeit für künftige ähnliche Fälle. Erste Erfolge mit dem Programm gibt es in der Schweiz und in Bayern: In Zürich gingen durch den Einsatz der Software seit Juli 2014 die Zahl der Einbrüche um 14 Prozent zurück, in den besonders mit „Precobs“ überwachten Gebieten sogar um 30 Prozent. Dort sagt das System nach einem Einbruchsdiebstahl mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent voraus, in welchem Radius in den nächsten zwei bis sieben Tagen wieder ein Einbruch passiert. Bayern war das erste Bundesland in Deutschland, das „Precobs“ einsetzt. Es wird dort seit Sommer 2014 getestet, die Polizei meldete erste Fahndungserfolge.

Daten zu Tatort, Tatzeit, Beute und Begehungsweise von mehreren Tausend Einbrüchen in den vergangenen sieben Jahren wurden in Bayern in das System „Precobs“ eingespeist. Die Polizei macht sich dabei das Verhalten von Kriminellen zunutze: Professionelle Einbrecher gehen nach einem Muster vor. Wenn sie in einer Wohngegend Erfolg haben, kehren sie wieder an den Tatort zurück. „Precobs“ kann auch nur diese Einbrüche vorhersagen. Bei Gelegenheitstätern oder Beschaffungskriminalität von Drogensüchtigen hilft das System nicht. Wie gut das sogenannte „Predictive Policing“ wirkt, ist noch nicht abschließend geklärt. Auch Datenschützer äußerten sich teils kritisch.

Berlin nutzt das eigene Analysewerkzeug „KrimPro“. Es wird seit Juli in zwei Direktionen getestet. Zu Beginn der dunklen Jahreszeit sollen alle Direktionen es nutzen können. Stephan Harnau vom LKA-Analysezentrum zog nach ersten Tests ein positives Fazit. Festnahmen auf frischer Tat gab es aber noch nicht. Von einer neuen Wunderwaffe könne nicht die Rede sein. Der PC ermögliche einen Blick auf das große Ganze. Menschliche Analytiker brauche die Polizei nach wie vor.

Berlin hat sich gegen den Einkauf fremder Software wie „Precobs“ entschieden. Das hätte laut Kandt Kosten in siebenstelliger Höhe bedeutet. Stattdessen wurden bestehende Programme und Daten genutzt, ohne „wirkliche Extra-Kosten“. Die Gewerkschaft der Polizei begrüßte den Einsatz der Software, hätte sich aber den Kauf eines fertigen Produkts gewünscht. Nun werde auf Kosten der Sicherheit der Bevölkerung gespart. Auch nütze es wenig, wenn die Polizei von Einbrüche wisse, aber nicht genug Personal habe.

Im Fokus der Ermittler stehen professionelle Täter, die vermutlich aus dem Ausland für Diebestouren nach Deutschland entsendet werden. Spricht sich Berlins neue Strategie herum, so wichen Täter weiträumig aus, sagte Kandt. Wie weit – hängt dann von Brandenburgs Polizei ab.

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