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Sonnige Aussichten. Potsdamer Forscher helfen Berlin beim Klimaschutz.

© Heinrich

Brandenburg: Berlin kann auch ohne märkische Kohle

Eine Machbarkeitsstudie von Potsdamer Klimaforschern zeigt: Berlin kann bis 2050 klimaneutral werden

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Berlin/Potsdam - Berlin könnte in den kommenden Jahren vom Braunkohlestrom aus Brandenburg unabhängig werden. Das ist eines der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin 2050“ des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach kann das Land Berlin durch den Einsatz von mehr erneuerbaren Energien seine Kohlendioxid-Emissionen deutlich reduzieren – trotz Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums. Die Untersuchung zeigt, dass Berlin bis 2050 sogar auf zwei verscheidenen Wegen klimaneutral werden kann.

Im Vergleich zum Jahr 1990 sei eine Senkung der klimaschädlichen CO2-Emissionen um bis zu 85 Prozent möglich. Wichtigstes Handlungsfeld sei dabei der Gebäudesektor, wie der Leiter der Studie Fritz Reusswig erklärte. Wärme müsse in Zukunft aus Erdgas und Biomasse statt aus Kohle und Öl erzeugt werden. Die Berliner Regierungskoalition hatte 2011 beschlossen, die Bundeshauptstadt bis 2050 klimaneutral zu machen, also die Emissionen so stark zu verringern, dass die Stadt das globale Klima nicht weiter schädigt. Das Ziel war schon von mehr als einem Senat postuliert worden, doch bislang immer an der Umsetzung gescheitert.

Die Potsdamer Forscher liefern nun ein Konzept, das neue Hoffnungen weckt. Durch die Steigerung der Energie-Effizienz, dezentral erzeugten Strom aus Biomasse und den massiven Ausbau der Nutzung der Sonnenenergie könne Berlin laut Studie sogar mehr Strom erzeugen, als es benötigt. „Auf diese Weise könnte Berlin bis 2050 zum Nettoexporteur von weitgehend erneuerbar erzeugtem Strom werden“, so Reusswig. Damit sei das Land dann vom Brandenburger Kohlestrom unabhängig, nur im Winter benötige man noch Windkraftstrom aus der Mark. Die Klimaforscher empfehlen daher eine Neuausrichtung der energiewirtschaftlichen Kooperation der beiden Bundesländer.

Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, forderte vor den Hintergrund der Ergebnisse Berlin auf, eine weltweite Vorreiterrolle im Klimaschutz einzunehmen. „Berlin ist cool – es sollte auch dazu beitragen, den Planten Erde cool zu halten“, sagte er. Die deutsche Hauptstadt liegt unter den Metropolen mit dem größten Treibhausgas-Ausstoß weltweit auf Platz elf. Die meisten Emissionen verursacht derzeit Peking, gefolgt von Tokio und Seoul. Auch in Zukunft wird erwartet, dass die größten CO2-Emissionen von Großstädten ausgehen werden. „Berlin muss weltweiter Führer beim Klimaschutz werden“, so Schellnhuber. Um das weltweite Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, müssten die Emissionen bis 2050 im Wesentlichen auf Null gefahren werden. Dafür bräuchte es Vorbilder wie die Großstadt Berlin, die sich ein solches Ziel vorgenommen haben. „Berlin könnte ein Pionier des Klimaschutzes, der neuen Technologien und der nachhaltigen Stadtentwicklung werden“, so der PIK-Direktor. Damit Berlin in 35 Jahren den Kohleausstieg vollziehen könne, müsse nun ein „neuer Spirit“ gefunden werden. Schellnhuber zitierte dazu Albert Einstein: „Probleme kann man niemals durch dieselbe Denkweise lösen, durch die sie verursacht wurden.“ Nun sei es wichtig, das Vorhaben in Einklang von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft umzusetzen.

Laut der Studie, die zwei verschiedene Szenarien zugrunde gelegt hat, kann Berlin in jedem Fall seine CO2-Emissionen von derzeit 21 Millionen Tonnen pro Jahr auf 4,4 Millionen Tonnen im Jahr 2050 reduzieren. Für dieses Ziel sei eine Verlagerung der Energieversorgung von fossilen auf überwiegend lokale erneuerbare Energien nötig. Eine solche lokale Energiewende könnte für die Hauptstadt auch positive wirtschaftliche Effekte haben. Durch die Verlagerung der Energieversorgung von fossilen auf überwiegend lokale erneuerbare Energien könnten laut der Studie regionalökonomische Effekte in einem Umfang von bis zu 138 Millionen Euro jährlich erzielt werden.

Der Umbau des Energiesystems würde Investitionen bedeuten, die unter dem Strich die Berliner Wirtschaft erheblich stärken könnten, Wertschöpfung und Beschäftigung in der Stadt würden wachsen. „Wenn Berlin sich zum Umstieg entschließt, das zeigen unsere Zahlen überraschend klar, dann profitieren am Ende alle – die Umwelt und die Menschen in der Stadt“, sagte der Studienleiter, Fritz Reusswig. „Klar ist aber auch, dass das eine große Anstrengung wird.“ Zwar könne der Druck auf die energetische Gebäudesanierung durch dezentrale und erneuerbare Wärmeversorgung etwas gemindert werden. Doch die jährliche Sanierungsrate von zurzeit 0,8 Prozent müsse mindestens verdoppelt werden – was Nebeneffekte wie Mietsteigerungen mit sich bringen dürfte. Jan Kixmüller

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