Von Claus-Dieter Steyer: Berliner kauft Straße in Briest
Ein libanesischer Dolmetscher aus der Hauptstadt zieht sich jetzt die Wut der Anwohner des kleinen Ortes bei Brandenburg zu
Stand:
Briest - Im kleinen Ort Briest in der Nähe der Havelstadt Brandenburg kochte gestern Nachmittag die Volksseele. Rund 20 Einwohner diskutierten wild über einen im Land bislang einmaligen Verkauf einer Straße und sprachen von „Erpressung“, „Ausbeutung“, „Strohmännern“ und „linken Geschäften“. Spontan griffen sie zur Kreide und schrieben ihre wichtigste Botschaft auf die Asphaltdecke: „Keine Straßenbenutzungsgebühr!“
Eigentümer und Mieter von Häusern in dem vor 15 Jahren gebauten Wohnpark verlangten Klarheit und eine Rücknahme der Privatisierung. „Zuerst die Wälder, dann die Seen und jetzt die Straßen. Was ist bloß los in diesem Brandenburg?“, brachte es eine Einwohnerin unter Beifall auf den Punkt.
Vor allem die Ungewissheit über die Folgen des Verkaufs an einen Privatmann raubt den rund 100 Anrainerfamilien die Nerven. „Jetzt wird wohl alles teurer, die Abwassergebühren, die Straßenreinigung, der Winterdienst, vielleicht auch das Parken“, meinte Ulli Walter aus der Straße Am Mühlenberg. „Auch die große Fläche am See ist schon verkauft.“
Der Grund für die Aufregung sind die Umstände des Straßenverkaufs. „Ich habe sie ganz normal bei einer Zwangsversteigerung erworben“, sagte der Libanese Wassim Saab dieser Zeitung. „Was ich damit mache, weiß ich noch nicht. Vielleicht erhebe ich Gebühren, vielleicht verkaufe ich sie auch wieder.“ Saab, der in Berlin ein Übersetzungsbüro betreibt, will nach eigenen Angaben erst in Ruhe nachdenken und dann entscheiden.
Genau 1000 Euro hat er für sein neues Eigentum bezahlt. Das Mindestgebot lag bei einem Euro. Die asphaltierte Straße, unter der alle notwendigen Frisch- und Abwasserrohre verlaufen, gehörte zur Insolvenzmasse des Wohnparks, mit dem ein Investor Pleite gegangen war. Dieser liquidiert selbst das ehemalige Eigentum. Der „Buschfunk“ in Briest vermutet „enge Absprachen“ zwischen dem Liquidator und dem neuen Eigentümer. „Woher sollte denn sonst ein Übersetzer aus Berlin von dem Angebot erfahren haben?“, fragte Anwohner Ulli Walter im Namen der betroffenen Briester. Doch weder Wassim Saab, noch der Liquidator wollten sich über die genauen Umstände äußern.
Dafür wettert Bürgermeister Günter Noack gegen die Amtsverwaltung. Die habe sich klassisch hinters Licht führen lassen, meint Noack. Tatsächlich waren zum Versteigerungstermin auch zwei Angestellte der zuständigen Amtsverwaltung Am Beetzsee anwesend. Die sollen aber beauftragt gewesen sein, lediglich für einen einzigen Euro um die Straße zu bieten. Offensichtlich hatte das Amt nicht damit gerechnet, dass beim Zwangsversteigerungstermin ein weiterer Interessent um die Straße bietet.
Die Amtsdirektorin Simone Hein äußerte sich gestern sichtlich erstaunt über den Medienrummel. „Ich sage gar nichts mehr“, antwortete sie auf eine entsprechende Frage. „In einer Einwohnerversammlung werde ich die Menschen beruhigen. Sie werden nicht zur Kasse gebeten“, versicherte sie. Unterdessen überlegten die Bewohner der so heiß umkämpften Straße, das Objekt der Begierde selbst zu kaufen. Ob dann allerdings 1000 Euro reichen, bleibt fraglich.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: