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Brandenburg: Berliner SPD-Frauen drohen mit Parteiaustritt

Kritik an Vergabe von Vorstandsposten bei BVG. Rot-Rote Mehrheit im Senat schrumpft auf eine Stimme

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Berlin - Dem Beispiel der ehemaligen frauenpolitischen Sprecherin der Berliner Sozialdemokraten, Canan Bayrams, folgend wollen weitere SPD-Frauen, die mit dem Kurs der Parteispitze nicht einverstanden sind, nach Informationen dieser Zeitung die SPD verlassen. Ob darunter auch Fraktionsmitglieder sind, ist nicht bekannt. Verärgert sind die Frauen über das Vorgehen der Parteispitze nach der Neubesetzung des BVG-Vorstands im vergangenen Jahr.

Die Stelle war von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) und dem damaligen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ohne Ausschreibung vergeben worden, obwohl das 2006 geänderte Betriebegesetz vorschreibt, Stellen in Organen auszuschreiben, wenn Frauen dort unterrepräsentiert sind. Während der Senat dieses Vorgehen als rechtmäßig verteidigt, bezeichnete Bayram dessen Argumentation als „nicht nachvollziehbar, widersprüchlich und rechtlich nicht haltbar.“ Auf dem SPD-Landesparteitag am 17. Mai wollen die Kritikerinnen beantragen, dass der BVG-Posten neu vergeben wird. Sollte der Antrag scheitern, werde es weitere Austritte geben, heißt es.

Auf einer Pressekonferenz hatte die Abgeordnete Bayram am Dienstagnachmittag erklärt, dass sie vor allem den Umgang in der SPD-Fraktion mit der Integrations-, Flüchtlings- und Frauenpolitik nicht mehr hinnehmen wolle. SPD-Chef Michael Müller und Wowereit fühlten sich an Gesetze, „die die paritätische Teilhabe von Frauen zum Gegenstand haben“, nicht gebunden. Auch werde die von der Bundes-SPD 2007 mitgetragene Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes von der Berliner SPD nicht infrage gestellt. Übergelaufen sei das Fass, als Innensenator Ehrhart Körting (SPD) eine Entschuldigung für seinen Vergleich zwischen den Mai-Krawallen und einer Vergewaltigung brüsk abgelehnt habe, sagte Bayram. Die Rechtsanwältin gehörte seit 1999 dem linken SPD-Kreisverband Friedrichshain- Kreuzberg an. Dort wechselte bereits 2008 der ehemalige SPD-Bezirksverordnete Ersin Uluc zu den Grünen.

Von der Entscheidung Bayrams, von der SPD zu den Grünen zu wechseln, erfuhr der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller am Dienstag kurz vor 15 Uhr. „Sie hat mir einen Zweizeiler in die Hand gedrückt und auf meine Fragen ein Sammelsurium von Gründen für ihren Austritt genannt“, berichtete Müller. Vorher habe es keine Hinweise gegeben, dass Bayram die SPD verlassen könnte. Auch mit Vertrauten in der SPD-Fraktion habe sie nicht das Gespräch gesucht. Noch vor einer Woche habe sich die Ex-Genossin vom Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg zur Wahlkampfleiterin küren lassen. Müller sprach von einem „kuriosen Vorgang“. Die von Bayram genannten Gründe seien „verworren und abenteuerlich“. Dahinter stecke seiner Einschätzung nach „nichts anderes als ein persönliches Problem“.

Hätte Bayram gestern nicht ihren Austritt aus der SPD erklärt, wäre die Linksfraktion wohl um ein Mitglied ärmer. „Ich war gegen Mittag dem Austritt schon näher“, sagte der einstige haushaltspolitische Sprecher Carl Wechselberg, der in der letzten Woche sämtliche politischen Ämter niedergelegt hatte. Aber nun will Wechselberg „nicht derjenige sein, der das Projekt Rot-Rot zum Scheitern bringt“. Er stehe zur Koalition, dies sei gute Stadtpolitik. Wechselberg will also vorerst in der Fraktion bleiben und Gespräche über den künftigen Kurs führen, hat aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Das Unbehagen bleibe, vor allem gegenüber der Bundespartei. In der Fraktionssitzung am Nachmittag war lange über Wechselbergs Kritik an der Bundeslinken, der er Radikalisierung vorwarf, diskutiert worden. „Die Fraktion hat sich dabei gut geschlagen“, so Wechselberg. In den nächsten Wochen wolle er sich über seine weitere politische Laufbahn klarwerden.

„Das ist keine leichte Situation, aber die Koalition steht und wird geschlossen und konstruktiv weiterarbeiten“, sagte der SPD-Chef Müller. Erfahrungsgemäß führten schwierige Situationen dazu, dass man enger zusammenrücke. Auch Gerhard Schröder habe 1994 als niedersächsischer Ministerpräsident vier Jahre mit nur einer Stimme Mehrheit regiert. Eine Neuwahl oder der Wechsel zu Rot-Grün sei gestern im SPD-Fraktionsvorstand überhaupt kein Thema gewesen. „Und das will ich sehen, wie die Opposition jetzt geschlossen Druck auf die Regierung ausübt“, sagte Müller. Die Chefin der Linksfraktion, Carola Bluhm, sprach von einer „Herausforderung“, der Rot-Rot nun gegenüberstehe. Trotzdem wolle auch die Linke das Regierungsbündnis bis 2011 gut zu Ende bringen. kt, sik, za

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