Brandenburg: Besondere Milde
Im Disziplinarverfahren gegen den wegen Korruption verurteilten Ex-Landrat Giesecke war das Innenministerium zurückhaltend
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Potsdam - Im Disziplinarverfahren gegen den wegen Korruption verurteilten Ex-Landrat von Teltow-Fläming, Peer Giesecke (SPD), ließ Brandenburgs Innenministerium offenbar besondere Milde walten. Zu dieser Einschätzung kommen mehrere von den PNN befragte, bundesweit einschlägig bekannte und tätige Disziplinarrechtsexperten. Tenor der Experten: Wegen der herausgehobenen Position als Landrat hätte eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und eine Aberkennung des Ruhegehalts ernsthaft in Erwägung gezogen werden müssen. Auch aus generalpräventiven Gründen, als Signal in die Beamtenschaft hinein. Die Sachlage ist allerdings nicht ganz eindeutig. Zumindest schöpfte das Innenministerium offenbar nicht alle Möglichkeiten aus.
Zur Vorgeschichte: Giesecke war über zwei Jahrzehnte Landrat. Im Dezember 2012 war er vom Kreistag abgewählt worden, einen Rücktritt hatte Giesecke abgelehnt, damit er seine Ruhegehälter nicht verliert. Grund für die Abwahl war eine Verurteilung vom Oktober 2012. Giesicke soll sich gemeinsam mit anderen kommunalen Politikern und gegen den Rat des Denkmalschutzes für den Abriss eines alten, geschützten Bauerngehöfts in Großbeeren eingesetzt haben, damit ein regionaler Baulöwe dort einen Supermarkt errichten konnte. Dafür soll Giesecke Restauranteinladungen des Unternehmers angenommen und auf dessen Finca auf Mallorca eingeladen worden sein – laut Staatsanwaltschaft eine „Zuwendung in Form einer anteiligen Kostenübernahme für eine Kurzreise im Wert von 800 Euro“. Daneben soll er von 2008 bis 2011 aus seinem Verfügungsfonds für gemeinnützige Zwecke 9000 Euro abgezweigt haben – für eine teure Kamera, nicht dienstliche Bewirtungen und Zuschüsse an eine von seiner Frau geführte soziale Einrichtung. Den Strafbefehl wegen Untreue und Vorteilsannahme über zehn Monate Haft, ausgesetzt zu drei Jahren Bewährung, und eine Geldbuße von 8000 Euro akzeptierte Giesecke.
Immerhin drei Jahre dauerte es danach noch, bis das Innenministerium in Potsdam im Disziplinarverfahren gegen Giesecke abschließend entschied. Angeblich sei die Zeit nötig gewesen für die „rechtssichere Durchführung“, wie das Ministerium mitteilte. Dabei sieht das Disziplinargesetz ein „Gebot der Beschleunigung“ der Verfahren vor.
Aber trotz der langen Dauer, trotz festgestellter Verfehlungen und Amtsmissbrauchs werden Giesecke – wie berichtet – weder die aktuellen Bezüge noch seine künftige Pension gekürzt. Damit bekommt Giesecke bis zum Ablauf seiner regulären Amtszeit 75 Prozent seiner vorherigen Dienstbezüge, statt mehr als 8000 nun also mehr als 6000 Euro. Danach bezieht er dann Ruhegehalt. Eingruppiert ist sogar eine Besoldungsstufe höher als Abteilungsleiter in Ministerien des Landes oder der Polizeipräsident des Landes.
Nach dem Gesetz werden Beamte aus dem Beamtenverhältnis per se entfernt, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt werden. Das ist bei Giesecke nicht der Fall, er kommt dem aber sehr nahe. Die zehn Monate Freiheitsstrafe plus die Geldbuße in Höhe eines Monatsgehalts entsprechen nach Expertenansicht faktisch elf Monaten Freiheitsstrafe. In einer solch herausgehobenen Position, die Giesecke als Landrat hatte, hätte das Ministerium zumindest die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und die Kürzung der Pension in Erwägung ziehen müssen, befanden die Disziplinarrechtler. „In anderen Bundesländern wäre in einem solchen Fall hart durchgegriffen worden“, sagte ein Jurist.
Das Innenministerium stellte das Disziplinarverfahren aber nach Paragraph 33 des Landesdisziplinargesetzes ein. Demnach muss ein Disziplinarverfahren eingestellt werden, wenn – nach einer anderen Bestimmung – der Beamte „wegen desselben Sachverhaltes“ einem Strafverfahren verurteilt wurde. Eine Kürzung des Ruhegehaltes kommt dann nicht mehr in Frage.
Das trifft zwar zu. Doch das Ministerium stellte auch keine weitergehenden eigenen Ermittlungen über die Feststellungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts hinaus an. Dabei wäre das durchaus möglich gewesen. Immerhin waren Giesecke 52 Fälle und ein Schaden von rund zehntausend Euro angelastet worden.
Die zentrale Frage für ein schärferes Vorgehen gegen Giesecke wäre gewesen, ob ein endgültiger Vertrauensverlust des Dienstherrn oder der Allgemeinheit eingetreten ist. Dann nämlich müsste ihm das Ruhegehalt aberkannt werden. Das wiederum hätte das Ministerium nur per Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erwirken können.
Bei einer solch herausgehobenen Stellung wie bei einem Landratsposten muss angesichts der vom Gericht festgestellten Taten nach Ansicht der befragten Experten von einem Vertrauensverlust ausgegangen werden. Fraglich ist auch, wie eine solch milde Entscheidung des Innenministeriums in der Beamtenschaft des Landes ankommt – jenen, die den Staat repräsentieren und sein Ansehen schützen, die im besonderen Maße Gesetzestreue üben müssen. Und im Zweifelsfall wenig Härte ihres Dienstherrn fürchten müssen.
Alexander Fröhlich
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