Von Peter Tiede und Thorsten Metzner: Bewusst irreführend
Fall Krampnitz: Land bestätigt Finanzdeal / Opposition ist empört / Grüne: Kasernen an Potsdam geben
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Potsdam - Brandenburgs rot-rote Landesregierung gerät nach immer neuen Ungereimtheiten nun unter Druck, den umstrittenen Verkauf der Krampnitzer Kasernen rückabzuwickeln. Als erste forderten dies am Sonntag die bündnisgrüne Vize-Chefin der Landtagsfraktion, Marie- Luise von Halem, die in Potsdam für das Oberbürgermeisteramt kandidiert. „Die Landesregierung muss ziehen und versuchen, die begangenen Fehler selbst auszubügeln.“
Von Halem reagierte damit auf einen PNN-Bericht vom Samstag, wonach dass vom Linken Helmuth Markov geführte Finanzministerium sogar zum Nachteil des Landes den Investoren in Krampnitz rund 740 000 Euro zurücküberweisen lassen – anstatt den bereits seit 2008 nach den Verträgen fälligen Gesamtkaufpreis von 4,1 Millionen Euro für den Landeshaushalt einzutreiben. Der Käufer, eine TG Potsdam GmbH hatte drei Jahre nach dem Kauf vom Juli 2007, erst 1,3 Millionen angezahlt.
Das Finanzministerium sah sich am Sonntag gezwungen, den entsprechenden PNN-Bericht zu bestätigen, der die ominöse 740000 Euro Transaktion vom März 2010 aufgedeckt hatte. Das Ministerium gesteht ein, dass es eine von den Investoren beantragte Rückabwicklung von „ Teilen des Kaufvertrages“ genehmigt hat. Diese hätten „wegen der fortschreitenden Finanzkrise den im Kaufvertrag vorgesehenen Zeitplan nicht mehr umsetzen“ können. Das Land nahm dafür, auch das bestätigte das Ministerium, zwei Grundstücke zurück – die aber für ein geringes Entgelt reserviert bleiben. Die Gesamtentwicklung der Liegenschaft sei weiterhin „erklärte Absicht der Investoren.“
Doch ob die dazu in der Lage sind, ist zweifelhaft. Zwar hatte der frühere Finanzminister Rainer Speer (SPD) den Zuschlag 2007 mit der Solvenz und Bonität der dänischen Thylander-Gruppe als angeblicher Mutter der TG Potsdam begründet. Doch das Areal liegt seit dem brach. Und Hintergrund der Turbulenzen sind nach internen Geschäftsunterlagen der privaten Brandenburgischen Bodengesellschaft (BBG) finanzielle Schwierigkeiten der Investoren, denen die Bank mit der Kündigung der Kreditlinien gedroht hatte. Teilflächen haben diese nach einem Bericht des „Stern“ sogar bereits an einen in Hannover ansässigen Immobilienentwickler weiterverkauft, ohne Wissen des Landes, das noch Eigentümer der Flächen ist. Dem Land, so das Finanzministerium am Sonntag, seien die Vorgänge nicht bekannt.
Dennoch erhärtet sich der Verdacht, dass Finanzministerium und die in seinem Auftrag handelnde private BBG seit 2008 ohne Not darauf verzichtet haben, den fälligen Restkaufpreis von fast drei Millionen Euro für die Landeskasse einzutreiben – und dem Land so ein finanzieller Nachteil entstanden ist. Das Finanzministerium erklärt dazu zwar, dass es für die Fälligkeit der Gesamtsumme nach der im Kaufvertrag § 4 (2) „formulierten Voraussetzung der planungsrechtlichen Absicherung des Vorhabens“ fehlt. Das trifft aber aber nicht zu und ist nach PNN-Recherchen bewusst irreführend formuliert: In dem den PNN vorliegenden Kaufvertrag heißt es an der entsprechenden Stelle lediglich wörtlich: Der Restkaufpreis werde fällig „vier Wochen nach Veröffentlichung des von der Stadt Potsdam zu beschließenden, den Planungsabsichten des Verkäufers entsprechenden Aufstellungsbeschluss für das Bebauungsplanverfahren.“ Genau das alles wurde im Amtsblatt am 27.3.2008 veröffentlicht.
Das Finanzministerium argumentiert zwar heute, es sei gleichzeitig festgestellt worden, dass zur „Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine geordnete städtebauliche Entwicklung unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes und der Altlastenproblematik sowie zur Einbindung in den sensiblen Landschaftsraum sowie zur Klärung der Erschließung“ ein „Bauleitplanverfahren“ erforderlich ist. Das mag sein – mit den Verpflichtungen, dem präzisen Wortlaut des Kaufvertrages, hat das nichts zu tun. Das Geld steht seit 2008 dem Landeshaushalt zu.
Nach diesen neuen Entwicklungen sieht sich die Landtagsopposition von CDU, Grünen und FDP in der von ihr erzwungenen Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bestätigt, den die drei Fraktion nach der Sondersitzung des Haushaltsausschusses vorigen Donnerstag angekündigt hatten. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sprach nach dem PNN-Bericht von einem „unerträglichen Skandal“. Er verwies darauf, dass Markov noch am Donnerstag, nur zwei Tage vor der PNN-Veröffentlichung, in einer Sondersitzung des Haushaltskontrollausschusses kein Wort über die Transaktionen an den Krampnitz-Investor und eine Flächen-Rücknahme verlor. „Wenn er es nicht gewusst hat, dann muss er aufräumen. Wenn er es wusste, dann hat er das Parlament getäuscht.“ CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig fragt, „warum die Sondersitzung überhaupt stattfand.“ Für SPD und Linke waren nach der Sitzung alle Fragen geklärt. Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) hatte eine umfassende Klärung der Vorgänge durch den unter Druck geratenen Innenminister und früheren Finanzminister Rainer Speer (SPD) angekündigt.
Stattdessen gerät seitdem nach Speer nun sein Nachfolger Markov in Erklärungsnöte – wegen der 740 000 Euro-Zahlung an die Investoren in Krampnitz und der bisherigen Nicht-Information des Parlaments. Nach den PNN vorliegenden Unterlagen war das Finanzministerium in Vorbereitung der Ausschusssitzung sehr aktiv. Und es wurde von der privaten Bodengesellschaft BBG noch am 31.August, zwei Tage vor der Ausschusssitzung im Landtag, umfassend und detailliert über die Transaktion und die Rückabwicklung der beiden Krampnitz-Teilflächen informiert. Begründet wurde die Rückabnahme laut BBG damit, dass sonst das gesamte Vertragswerk platzen und die Anzahlung an den Investor von 1,3 Millionen Euro zurückgezahlt werden müsste.
Untersuchungsausschuss und Rechnungshof werden den Umgang der früheren rot-schwarzen und der heutigen rot-roten Regierung mit Landesvermögen unter die Lupe nehmen. Zündstoff bergen auch die nach und nach bekannt werdenden Hintergründe der Privatisierung der Brandenburgischen Bodengesellschaft (BBG) im Jahr 2006. Wie berichtet, durfte die Firma TVF als Käufer 3,3 Millionen Euro des Kaufpreises von 3,9 Millionen Euro aus den prall gefüllten Kassen der erworbenen Landesfirma begleichen – am Parlament vorbei.
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