POSITION: Biermanns Ermutigung gilt auch heute
„Sich nur allein des Lebens in Freiheit zu erfreuen, ist möglich, aber zu wenig“ Von Dieter Dombrowski
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Die Jury hat sich entschieden, den durch das Domstift zu Brandenburg neugeschaffenen und erstmalig zu vergebenden Brandenburger Freiheitspreis an unseren Verein, das Menschenrechtszentrum Cottbus, zu vergeben. Ich weiß, dass es viele Vorschläge für diese Ehrung gab und ich sage für mich, aber auch für die Mitglieder, Freunde und Förderer unseres Vereins Danke. Wir nehmen diesen Preis gerne an, aber wir nehmen ihn nicht nur als Bestätigung und Motivation für unsere Arbeit, wir nehmen ihn vor allem an, stellvertretend für all diejenigen, die sich für die Freiheit engagiert haben und die es auch weiterhin tun.
Wer oder was ist das Menschenzentrum Cottbus e. V. überhaupt? Baulich betrachtet, ist das Menschenrechtszentrum Cottbus eigentlich das ehemalige Gefängnis oder Zuchthaus Cottbus. Zu den Zeiten der Nazidiktatur war das Zuchthaus Cottbus ein Frauengefängnis, in dem unter anderem auch couragierte Frauen inhaftiert waren, die der Widerstandgruppe Weiße Rose aus Hamburg angehörten – Frauen aus dem bürgerlichen Widerstand gegen Nationalsozialisten, aber auch Frauen, wie die Kommunistin Greta Kuckhoff, die später Präsidentin der Staatsbank der DDR wurde.
Das Gefängnis oder Zuchthaus Cottbus war in der DDR das größte Gefängnis für politische Gefangene. Das Gefängnis war deshalb nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit, nachdem die Mauer fiel, weil es kein Stasigefängnis war, sondern es war der Strafvollzug in Verantwortung des Ministeriums des Innern der ehemaligen DDR. Es klang nicht so aufregend wie Stasigefängnis. Wir schätzen die politischen Gefangenen in Cottbus auf 25 000 Menschen. Es waren aber sicherlich weit mehr. Jedenfalls, um Ihnen einen Maßstab zu geben, war das Gefängnis Cottbus Mitte der 1970er-Jahre mit cira 1200 Häftlingen belegt, obwohl es für lediglich 600 Häftlinge gebaut worden war. Um die Ereignisse vom 17. Juni 1953 waren sogar 3000 Häftlinge in Zelten untergebracht. So überfüllt war es gewesen!
Von diesen 1200 Häftlingen waren rund 80 Prozent politische Gefangene. Es war sehr beengt und in meiner Zelle, 44 Quadrat groß, eine Toilette, zwei Waschbecken mit kaltem Wasser und Stahlblechen vor den Fenstern, lebten – wenn man das so bezeichnen darf – 28 Männer, die in vier Betten übereinander schliefen.
Nun will ich über die einzelnen Schicksale und über die Bedingungen nicht viele Worte verlieren, sondern ich möchte kurz schildern, wie aus ehemaligen politischen Häftlingen Gefängnisbesitzer wurden.
Das Gefängnis wurde nach dem Fall der Mauer bis zum Jahr 2002 durch das Land Brandenburg als Justizvollzugsanstalt genutzt und dann sich selbst, dem Vandalismus und dem Verfall überlassen. Im Jahr 2007 wurde dann bekannt, dass die Landesregierung Brandenburg dieses Gefängnis auf dem Wege einer öffentlichen Versteigerung veräußern wollte. Dies geschah auch so.
An dieser Stelle sei dem ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Cottbus, Frank Schmanski, herzlich gedankt, der unseren Hilferuf aufnahm. Mit seiner Hilfe und mit Zustimmung der Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Cottbus wurde es möglich, einen Teil im Außenbereich des ehemaligen Gefängnisses an unseren Verein für einen Euro zu übergeben. Im Weiteren stellte sich heraus, dass wir bei den Gesprächen mit Bund und Land in Erfahrung brachten, dass eine öffentliche Förderung nur am authentischen Ort möglich ist. Dies bedeutete, dass wir irgendwie das Gefängnis in unseren Besitz bekommen mussten. Gesagt, getan!
Am 2. Mai 2011 hat der Verein zum Preis von 436 000 Euro das Gefängnis Cottbus dann von einem privaten Besitzer erworben. Hierbei haben uns Bund und Land unterstützt, aber dank der Hilfe von privaten Unterstützern konnten wir ca. ein Drittel der Summe beisteuern.
Unser Ziel war, nicht nur einen Ort der Aufarbeitung, des Gedenkens und der Bildung zu schaffen, sondern das Ziel der ehemaligen politischen Häftlinge aus diesem Gefängnis war, einen aktiven Ort der Menschenrechtsarbeit entstehen zu lassen. Und deshalb steht in unserer Satzung auch, neben dem vorgenannten, ausdrücklich die Hilfe für rassisch, politisch und religiös Verfolgte.
Der Gedanke, als Menschen, die in der Demokratie leben, anderen zu helfen, ist vermutlich nicht selbstverständlich, wie wir in diesen Tagen erleben müssen. Und geschwiegen wird zurzeit zu viel in Deutschland, wie ich finde. Es gibt die, die laut und hässlich auf sich und vermeintliche Missstände aufmerksam machen, die, die widersprechen und zu viele, die schweigen.
Ich bin letztens von einer gutbürgerlichen Dame angesprochen worden, die fragte: Herr Dombrowski, wo kommt das auf einmal her? Es war immer da. Leider. Aber es ist jetzt salonfähig geworden.
So wie wir, die ehemaligen Häftlinge aus dem Zuchthaus Cottbus, für unsere Rechte eingetreten sind, so selbstverständlich ist es für uns, auch für die Rechte anderer Menschen einzutreten. Allein ist nicht genug und sich nur allein des Lebens in Freiheit zu erfreuen, ist möglich, aber zu wenig.
In der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt, das sind wir nämlich, in der fast alles sehr gut oder gut läuft, haben wir eine Diskussion, bei der man den Eindruck haben könnte, dass die Existenz unseres Staatswesens in Gefahr ist. In Wirklichkeit geht es darum, dass viele offenbar nicht wissen, welcher Schatz Freiheit und Wohlstand bedeuten.
Wir Christen haben es in dieser angespannten Situation etwas leichter, obwohl wir nicht die besseren Menschen sind. Christen, die versuchen, ihren Glauben mit Leben zu erfüllen, können einem Menschen, der aus bitterer Not um Hilfe nachsucht, nicht zurückweisen. Täten wir es, dann würden wir damit unseren Glauben leugnen.
Und anderen Menschen, die in größten Nöten sind, zu helfen, ist nun eigentlich wirklich nichts Herausragendes. Andere Menschen, wie Dietrich Bonhoeffer, haben ihr Leben gegeben, um für ihren christlichen Glauben einzustehen. Was bedeuten da unsere kleinen Opfer, die wir nicht einmal merken.
Ich und mit mir viele ehemals Verfolgte des SED-Regimes sind bestürzt und beschämt über so viel Egoismus in einem der reichsten Länder dieser Welt.
Wie viel Feigheit bedarf es, um Brandsätze in eine Unterkunft für Kinder und Jugendliche Ausländer zu schleudern und wie viel Mut bedarf es, wenn syrische Flüchtlinge in Leipzig einen international gesuchten Terrorristen überwältigen, fesseln und der Polizei übergeben.
Ich möchte an dieser Stelle all diejenigen ermutigen, stark zu bleiben und couragiert ihren Weg von Demokratie und Humanität weiterzugehen. Wolf Biermann hat in seinem Lied „Ermutigung“ gesungen: „Lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit“; das gilt auch heute.
Der Autor ist Vorsitzender des Vereins Menschenrechtszentrum Cottbus, Vorsitzender der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, Vizepräsident des Landtags Brandenburg und Mitglied der CDU-Landtagsfraktion. Es handelt sich um die leicht gekürzte Fassung seiner Rede zur Verleihung des Brandenburger Freiheitspreises
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