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Brandenburg: Bio-Produkte sind rar im Supermarktregal

Brandenburgs Agrar- und Umweltminister Dietmar Woidke will das ändern – mit einem Entwicklungsplan

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Potsdam - Noch immer suchen Berliner meist vergeblich nach frischen Bio-Produkten aus Brandenburg in den Supermarktregalen, Händler und Handelsketten beklagen, dass das Agrarland Brandenburg nicht in der Lage sei, seine Großstadt Berlin ordentlich zu versorgen. Brandenburgs Agrar- und Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) will dies nun generalstabsmäßig ändern: Mit einem Entwicklungsplan solle die märkische Biobranche gestärkt werden, um den Berliner Markt gezielter mit brandenburgischem Frischgemüse und Obst aus Bioproduktion beliefern zu können, kündigte Woidke gestern auf der Messe „BioFach“ in Nürnberg an. Die Initiative erfolge in Kooperation mit der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg.

Mit dem Aktionsplan soll auch die Veredelung und Verarbeitung in der Region gestärkt werden. Es müssen in den Verkaufsregalen mehr Bioprodukte „Made in Brandenburg“ liegen, gab Woidke die Richtung vor. Denn bisher verschwinden viele märkische Agrarprodukte unkenntlich in veredelten Produkten aus anderen Bundesländern – in Brandenburg wird zwar viel geerntet, aber kaum etwas zu lukrativen, eigenständigen Produkten weiterverarbeitet. Der Aktionsplan verstehe sich daher auch als Signal an Erzeuger und Verarbeitungsbetriebe, in die zukunftsträchtige und lukratiProduktion und Veredelung von Bioprodukten einzusteigen.

Das scheint auch bitter nötig. Denn was die Ernte angeht, stehen Brandenburgs Biobauern zwar ganz weit vorn. Mit zehn Prozent Anteil an der landwirtschaftlichen Gesamtfläche sind sie sogar bundesweit Spitzenreiter. Doch die Erntemeister vermarkten sich noch immer zu schlecht. „Bei der Verarbeitung der Produkte in der Region sind wir das Schlusslicht“, so Michael Wimmer, Geschäftsführer der FÖL (Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin und Brandenburg).

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch ein Forscherteam der Technischen Universität Berlin. „Vor allem mittlere und kleine Unternehmen haben Schwierigkeiten“, sagt Martina Schäfer, TU-Professorin und Expertin für nachhaltige Regionalentwicklung. Sowohl der Handel als auch die Betriebe seien derzeit noch überfordert, was die Kooperation angeht, fand die Professorin in Studie heraus, in der es darum ging, wie Qualitätsprodukte vor allem von kleineren Erzeugern aus vier märkischen Leader-Regionen auf den Berliner Markt kommen. Ein gravierendes Problem sei die richtige Präsentation und Gestaltung der Verpackung: Viele kleinere Bio-Betriebe würden sich schon schwer tun, ein ansprechendes Etikett auf die Produkte zu drucken, so die Professorin. „Dazu gehört auch ein Strich-Code, den der Erzeuger bei der zuständigen Behörde beantragen muss“, sagt Schäfer. „Der Abnehmer will nun mal ein fertiges Produkt, das er ins Regal stellen kann.“ Hinzu komme, dass die wenigsten Bauern wirklich neue Ideen auf den Markt bringen. Ein Punkt, den die Expertin auch bei den konventionellen Anbietern bemängelt. „Mit der 35sten Kalbsleberwurst hat man es schwer, auf dem Berliner Markt mitzuhalten“, so Schäfer. Mit Wasserbüffelwurst, Fasanenpastete, Fleisch von Highland-Rindern oder besonderen Fruchtaufstrichen können aber bereits einige kleinere Betriebe bei Berliner Abnehmern punkten. Bei einer Nachfrage größerer Kontingente seien die Erzeuger hingegen wenig flexibel. „Über Betriebsausweitungen wird nur zögerlich nachgedacht, Viele scheuen das Risiko.“

Die Professorin, die für ihr Forschungsprojekt, bei dem es auch darum ging, Netzwerke in der märkischen Biobranche anzuregen, nur ein halbes Jahr Zeit hatte, wünscht sich mehr Unterstützung von politischer Seite. Nicht nur ein halbjährliches Kooperationsprojekt für vier Teilregionen sondern eine kontinuierliche Beratung, die allen Betrieben offen steht. Kompetenz-Zentren für die Landwirte könnten bei Fördervereinen oder Vermarktungsverbänden angesiedelt sein und würden wichtige Informationen parat halten: Vom Lebensmittelrecht über geeignete Transportunternehmen, Werbefirmen, Marketingberater bis hin zu Kontakten zum Tourismusverein.

Mehr Mut bei den Landwirten wünscht sich Gerd Lehmann, Geschäftsführer des Marketingverbandes „pro agro“. „Die Erzeuger müssen investieren, um sich auf den Handel einzustellen“, fordert er. Sowohl Anbaufläche als auch die Lagerkapazitäten müssten wachsen, um „möglichst viele Glieder der Wertschöpfungskette in der Region zu behalten“. Zu Deutsch: Nicht nur das Fleisch liefern sondern auch die Wurst machen, nicht nur die Kuh melken, auch den Käse herstellen, nicht nur das Korn ernten, auch das Müsli mischen. Abgesehen davon, dass dies mehr Arbeitsplätze schafft, „will der Kunde im Geschäft sehen, wo sein Produkt herkommt“, sagt Lehmann.

Dass fertige Produkte aus Brandenburg beliebt sind, weiß Manuela Camatta, Marktleiterin in Berlins größtem Bio-Supermarkt namens LPG. „Die Kunden suchen gezielt nach Produkten aus dem Umland und zahlen dafür auch gerne mehr“, wie Camatta an einem Beispiel feststellt. Honig vom Biogroßhändler koste 4,99 Euro. Den Honig eines eigenständigen Bio-Imkers aus Münchehofe (Dahme-Spreewald), verkauft LPG ebenso erfolgreich für 6,25 Euro, also ein Viertel mehr. Die Menge der verkauften Waren aus Brandenburg, könne man indes fast an den Fingern abzählen.

Weniger als jedes zehnte Produkt kommt aus dem Umland, sagt Meinrad Schmitt, Geschäftsführer des Berliner Großhändlers Terra-Feinkost-KG. „Der Bio-Markt wächst jährlich um zehn Prozent“, sagt Schmitt. Ohne politische Unterstützung kommen seiner Meinung nach die Brandenburger Bio-Bauern nicht hinterher. Bei diesem Wettlauf aufzuholen, ist das Ziel einiger weniger Aktionen. Anfang Februar richtete der Bio- Supermarkt LPG erstmals Regionalwochen aus. Noch allerdings nicht aus eigener Kraft, sondern mit Unterstützung der TU-Forscher um Professorin Schmidt. Und die Supermarktkette Kaisers-Tengelmann bietet bereits eine eigene Regionalmarke mit dem einprägenden Namen „Von hier“ an. 50 Produkte von rund 15 Erzeugern aus dem Umland werden dort angeboten. Und es sollen mehr werden. Dabei sieht Michael Wimmer ein geringes Risiko für mutige Erzeuger: „Wer über ein Jahrzehnt gearbeitet hat, um seinen Betrieb auf Bio umzustellen, hat jetzt die besten Chancen auf Planungssicherheit“, sagt der FÖL-Chef .

Andreas Wilhelm

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