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Brandenburg: „Bis zu 350 Gramm Salz pro Liter“

Gutachten: Salzlösung aus CO2-Speicher bei Neutrebbin könnte Berliner Trinkwasser ungenießbar machen

Von Matthias Matern

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Neutrebbin - Die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid bei Neutrebbin (Märkisch-Oderland) könnte weitreichendere Folgen haben, als bislang bekannt. Sogar die Trinkwasserversorgung Berlins steht laut eines aktuellen Gutachtens auf dem Spiel. Sollte der Energiekonzern Vattenfall bei Neutrebbin wie geplant abgeschiedenes CO2 aus der Braunkohleverstromung unter die Erde pressen, könnte demnach durch den dabei entstehenden Druck salzhaltiges Wasser im Erdreich verdrängt werden und über kleinste Durchlässe in darüberliegende Süßwasserschichten gelangen. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde durch die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid bei Neutrebbin Süßwasser in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern durch Salzwasser unbrauchbar gemacht“, warnt der Geologe und Geochemiker Ralf Krupp aus Erfurt. Gerade einmal rund 70 Kilometer liegt Neutrebbin von Berlin entfernt.

Im Auftrag des Amtes Barnim-Oderbruch, zu dem auch die Gemeinde Neutrebbin gehört, hat der Wissenschaftler aus Thüringen die geologischen Gegebenheiten im weiteren Umfeld des möglichen CO2-Endlagers untersucht und Risiken analysiert. Die Ergebnisse sollen den Widerspruch begründen, mit dem sich die sechs Gemeinden des Amtes gegen die vom Land Brandenburg erteilte Erlaubnis zur Erkundung potenzieller Speicher bei Neutrebbin wehren. Vor rund einem Jahr hatte das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) in Cottbus wie berichtet Vattenfall eine entsprechende Genehmigung erteilt. „Wir haben das Gutachten vergangenen Monat dem Landesamt zugeschickt. Eine Reaktion haben wir noch nicht bekommen“, berichtet Amtsleiter Karsten Birkholz. Dabei zeige das Gutachten nicht nur bislang unterschätzte Gefahren auf, sondern auch, dass Vattenfall das Erkundungsgebiet offenbar viel zu klein gewählt habe.

Nach Schätzung Krupps deckt die von Vattenfall beantragte Fläche von 353 Quadratkilometern nicht einmal zehn Prozent des tatsächlich betroffenen Areals ab. Denn auch in einem Umkreis von rund 100 Kilometern Entfernung von der Stelle, an der das CO2 in die Erde gepresst werden soll, wäre der Überdruck im Inneren des Speichers noch so groß, dass mit einem Aufstieg von Salzwasser gerechnet werden müsse, heißt es in dem Gutachten. Dies bedeute, „dass die möglichen, von Neutrebbin ausgehenden Grundwasserversalzungen im Westen bis über das Stadtgebiet Berlins hinaus und im Osten bis weit in das Hoheitsgebiet der Republik Polen reichen würden. Innerhalb dieses Schlagkreises befinden sich sich mehrere hundert Wasserwerke mit ausgewiesenen Schutzgebieten.“

Doch nicht nur die Trinkwasserversorgung wäre gefährdet, auch sensible Feuchtbiotope könnten empfindlich geschädigt werden. Bei dem Salzwasser, dass in den sogenannten salinen Aquiferen lagere, die für die CO2-Speicherung vorgesehen sind, handele es sich um hochkonzentrierte, teilweise gesättigte Lösungen, die einen Salzgehalt aufweisen, der um ein Vielfaches über dem von Meerwasser liege, so Krupp. „Ein Liter enthält bis zu 350 Gramm Salz und kann bis zu 1000 Liter Süßwasser ungenießbar machen.“ Einen Namen hat sich der Wissenschaftler mit seinen Langzeitstudien zu den Folgen des Kalisalzbergbaus im mittleren Werratal in Thüringen gemacht. Dort hat Krupp über die Jahre bereits massive Schäden am Ökosystem des Flusses durch salzhaltiges Abwasser aus dem Kaliabbau nachgewiesen.

Besonders groß ist die Gefahr einer Versalzung im Gebiet um Neutrebbin laut Krupp aufgrund der geologischen Voraussetzung. Die sogenannte Rupelton-Schicht, die in der Norddeutschen Tiefebene als wichtigste Barriere zwischen Salz- und Süßwasserschicht gilt, sei an vielen Stellen äußerst dünn und teilweise sogar nicht mehr vorhanden. Außerdem liege Neutrebbin östlich eines „neotektonisch aktiven“ Areals, der sogenannten Buckow-Störungszone. „Eigentlich handelt es sich um ein seismisch ruhiges Gebiet, dennoch gibt es dort immer wieder kleinere Erdbeben, die man zwar nicht spürt, die aber zu Verschiebungen im Erdreich führen“, erläutert der Geologe und Geochemiker. Dadurch könnten zusätzliche Lecks entstehen, die die Verdrängung des Salzwassers begünstigen.

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