Brandenburg: Bisky und die Brandenburger Toleranz
Linkspartei-Chef und Landtagsvize wird in Potsdam nach Berlin verabschiedet
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Linkspartei-Chef und Landtagsvize wird in Potsdam nach Berlin verabschiedet Von Michael Mara Potsdam - „Ich wollte nie in den Bundestag, jetzt sehe ich mich beinahe bestärkt“, sagt Lothar Bisky in Anspielung auf den jüngsten Eklat. 15 Jahre lang gehörte der Linkspartei-Chef dem Brandenburger Landtag an. Er zählt zum parlamentarischen Urgestein der Mark, ist über Parteigrenzen hinweg geachtet. Selbst ein konservativer Hardliner wie CDU-Innenminister Jörg Schönbohm, der mit der PDS nun wirklich nichts am Hut hat, begegnete dem Medienwissenschaftler Bisky immer mit Respekt. Gestern nun der offizielle, unumkehrbare Abschied für Bisky und drei weitere Abgeordnete, die in den Bundestag gewechselt sind. Im Landtagspräsidium wird Sekt gereicht. Präsident Gunter Fritsch (SPD) bedankt sich launig bei seinem bisherigen Stellvertreter: Der habe die Chance verpasst, Vizepräsident zu bleiben, und kämpfe nun im Bundestag darum, es wieder zu werden. Er hoffe auf ein gutes Ende, sagt Fritsch. Bisky, der müde und angeschlagen wirkt, lächelt etwas gequält. „Berlin bekommt mir im Moment nicht gut, aber ich stehe das durch.“ Einen Eklat wie jetzt im Bundestag hat Bisky in seiner 15-jährigen Abgeordnetenlaufbahn in Brandenburg nicht erlebt. Der frühere Rektor der Filmhochschule Babelsberg wirkte an der Erarbeitung der Landesverfassung mit. Er führte den Untersuchungsausschuss zur Klärung der Stasi-Verstrickungen des früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) unparteiisch. Noch heute ist er stolz darauf, dass keine der Feststellungen im Abschlussbericht widerlegt worden ist. Später wurde ihm selbst vorgeworfen, Stasi-IM gewesen zu sein. Bisky bestätigte, dass er als Rektor Kontakte zur Stasi unterhalten musste, betonte jedoch, nie Menschen bespitzelt zu haben. Einen Gegenbeweis gibt es bis heute nicht. Als Oppositionsführer verfolgte Bisky einen pragmatischen Kurs, was ihm Kritik in den eigenen Reihen einbrachte, wo sich manche eine härtere Gangart auch gegenüber der SPD gewünscht hätten. Manche warfen ihm auch vor, die Sozialdemokraten zu schonen, weil er den Weg für eine rot-rote Koalition nicht verbauen wollte. Fest steht, dass der 64-Jährige entschiedener Verfechter des von Stolpe 1990 erfundenen „Brandenburger Weges“ ist, der auf parteiübergreifende Zusammenarbeit insbesondere bei der Lösung entscheidender Probleme setzte. So wundert es gestern auch niemanden, dass Bisky in seinen Abschiedsworten dazu auffordert, die „Brandenburger Toleranz“ zu verteidigen. Umgangston und Stil der Politiker hätten sich auch in Brandenburg gegenüber den Anfangsjahren verschlechtert. Aber Konsenspolitik dürfe keine pure Illusion sein, wenn man die gesellschaftlichen Probleme lösen wolle. Typisch Bisky eben, der eigentlich keiner Fliege etwas zu leide tun kann. Immerhin sieht der Linkspartei-Chef und Bundestagsabgeordnete noch „Reste Brandenburger Toleranz“ und führt als Beispiel die reibungslose Zusammenarbeit im Landtagspräsidium an. Er scheide „in gewisser Trauer“, gibt Bisky zu. Doch müsse man einen Weg, den man einmal eingeschlagen hat, auch zu Ende gehen. Und mehrdeutig: „Wer weiß, welche Überraschungen er noch bringt.“
Michael Mara
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