Brandenburg: Blutiger Schwedenstreich
Vor 375 Jahren tobte bei Wittstock der Dreißigjährige Krieg. Der Schlacht widmet das Land Brandenburg eine Sonderausstellung mit Funden aus einem Massengrab
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Wittstock - Es ist der Nachmittag des 4. Oktober 1636 nach neuer Zeitrechnung. In Europa tobt der Dreißigjährige Krieg. Bereits im Sommer musste Johan Banér tatenlos mit ansehen, wie die vereinigten kaiserlich-sächsischen Truppen Magdeburg nach längerer Belagerung einnahmen. Der Übermacht der feindlichen Verbände fühlte sich der schwedische Feldmarschall nicht gewachsen. Und auch an diesem Tag sieht die Lage für Banér wenig aussichtsreich aus. Mit seinen rund 16 000 Mann hat er nahe der Stadt Wittstock die Dosse überquert. Erneut steht ihm die Allianz gegenüber. Wenigstens 22 000 Mann haben die Verbündeten unter Waffen. Gerade einmal rund einen Kilometer von der verwaisten Wittstocker Bischofsburg entfernt treffen die Heere aufeinander. Drei Stunden lang wogt der Kampf hin und her. Am Ende entscheidet ein gewagter Schachzug die Schlacht. Banér teilt sein Heer und lässt einen der beiden Flügel bei eintretender Dunkelheit in den Rücken der Feinde stoßen. Die kaiserlich-sächsischen Truppen ergreifen die Flucht, lassen zahlreiche Kanonen und die Kriegskasse zurück. Rund 8000 Kämpfer liegen am nächsten Morgen erschlagen vor den Toren Wittstocks.
Heute bedecken Maisfelder den ehemaligen Kriegsschauplatz, stehen Windräder, wo einst der Pulverdampf der Kanonen aufstieg. Seit knapp drei Monaten können Besucher an exponierter Stelle den Schlachtverlauf anhand dreier Panoramatafeln und Aufstellern mit einem historischen Abriss rekonstruieren. Pünktlich zum 375 Jahrestag der „Schlacht bei Wittstock“ wurde am 24. September eine Aussichts- und Gedenkplattform auf dem Bohnekamp, einer Anhöhe am Ort des Geschehens, eröffnet. Nach dem im frühen 17. Jahrhundert noch weit verbreiteten Julianischen Kalender wird das Ereignis auf den 24. September datiert. „Etwa dort drüben hat Banér mit seinen Truppen die Dosse überquert“, sagt Antje Zeiger, Leiterin des Wittstocker Museums „Alte Bischofsburg“, und deutet auf eine Baumreihe südöstlich der Altstadt. Knapp 100 000 Euro hat die Stadt für den Bau der Plattform bereitgestellt. 163 000 Euro hat das Land über EU-Fördermittel dazugegeben. Schon von der nahen Autobahn 24 aus lassen sich die roten, gelben, weißen und blauen Fahnen erkennen, die auf der rund 100 Meter hohen ehemaligen Trinkwasserzisterne wehen. An der Eröffnung nahmen auch Delegationen mehrerer schwedischer Traditionsregimenter teil. Im Anschluss wurden mit einer Kranzniederlegung am sogenannten Wittstocker Schwedenstein die Gefallenen gewürdigt. Der 80 Tonnen schwere Findling vor der Stadtmauer markiert die Stelle, an der Banér nach der Schlacht einen Dankesgottesdienst abhalten ließ.
Mit einer Dauerausstellung zum Dreißigjährigen Krieg in der Bischofsburg gilt Wittstock seit Jahren als bliebtes Ziel für Geschichtsinteressierte. Auf sieben Ebenen vermittelt das 1998 gegründete Museum die Hintergründe und Ursachen für den europaweiten Konflikt, gibt einen Überblick über die Kriegstechnik der Epoche, den Alltag der Söldner sowie über die Schlacht selbst und den sogenannten Westfälischen Frieden, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete. Träger des Museums ist der Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Zudem wird die Arbeit von der Stadt und dem Förderverein „Museen Alte Bischofsburg“ unterstützt.
„Wir haben im Schnitt jährlich rund 15 000 Besucher“, sagte Museumsleiterin Zeiger. Der größte Teil der ausländischen Gäste komme aus Schweden. „Aber auch viele Amerikaner, Österreicher und Niederländer besuchen die Ausstellung“, berichtet Zeiger. Das Gedenkjahr zur Schlacht hat das Museum im Mai mit der Eröffnung einer Sonderausstellung über das „Theatrum Europaeum“ von Matthäus Merian des Älteren begonnen. Das Werk gilt bis heute als beispielloses deutschsprachiges Geschichtswerk. „Im 17. Jahrhundert war das Theatrum Europaeum ein Bestseller“, meint Zeiger. Gezeigt werden Kupferstiche aus den ersten sechs der insgesamt 21 Bände, darunter auch die bekannteste Darstellung der Schlacht bei Wittstock. Gewürdigt wird das Ereignis auch im Namen des Landes. Im April soll eine eigene Sonderausstellung eröffnet werden, für die bereits Schwedens Botschafter Staffan Carlsson und Brandenburgs Kulturministerin Sabine Kunst (parteilos) die Schirmherrschaft übernommen haben. Gezeigt werden Funde aus einem Massengrab, das 2007 am Rande des Schlachtfeldes entdeckt wurde. Insgesamt hatten die Archäologen die Überreste von 125 Söldnern ausgegraben.
In Wittstock herrscht Unverständnis über die Pläne. Denn statt am Originalschauplatz soll die Schau mehr als 100 Kilometer entfernt im Archäologischen Landesmuseum in Brandenburg/Havel gezeigt werden. „Die Ausstellung gehört nach Wittstock und die Funde selbstverständlich auch“, sagt Wolfgang Dost, der seit 50 Jahren in Wittstock lebt und maßgeblich am Aufbau des dortigen Museums beteiligt war. 2005 wurde der geborene Leipziger sogar für seine Verdienste mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet. Dass sich das Land für das Brandenburger Paulikloster als Ausstellungsort entschieden habe, liege wohl an dem „Hang zur Zentralisierung“ bei den Verantwortlichen, so Dost. Schließlich sei die Bischofsburg kein Landesmuseum. „Außerdem geht es vermutlich auch darum, Erfolge vorzuweisen.“
Als eine „Konkurrenzveranstaltung“ sehe man die Schau im Landesmuseum keineswegs, heißt es aus dem Kulturministerium in Potsdam. Seitens des Wittstocker Museums habe es „keine enormen Bemühungen gegeben“, die Ausstellung zu übernehmen, teilt ein Sprecher mit. Vermutlich aber sei die in Wittstock zur Verfügung stehende Fläche ohnehin zu klein. Selbstverständlich habe man sich um die Schau bemüht und auch den nötigen Platz hätte man gefunden, heißt es dagegen in der Stadt. Letztlich habe das Land Wittstock nur mit einer parallelen Mini-Ausstellung abfrühstücken wollen. Das aber habe man nicht nötig. Offen sagen will das aber niemand.
Auch Antje Zeiger schüttelt nur den Kopf. Lieber schmiedet sie Pläne für die Zukunft. Schließlich wird Wittstock noch für den Dreißigjährigen Krieg stehen, wenn im Paulikloster bereits wieder andere Grabungserfolge gefeiert werden. Vorsichtig steigt Zeiger die rostige Metalltreppe im Inneren der alten Trinkwasserzisterne hinab. „Die Akustik hier unten ist super. Wir haben die Idee, über Lautsprecher Passagen aus alten Quellen einzuspielen“, berichtet sie, während ihre Stimme durch den alten Wasserspeicher hallt. Auch der Held der Schlacht soll dann auferstehen. „Ein Porträt von Johan Banér könnten wir als Projektion an die Wand werfen“, sagt die Museumschefin begeistert. Fehlt nur noch das Geld dafür. Doch als geeignetes Pflaster für gute Ideen in schwierigen Situationen hat sich Wittstock bereits empfohlen – vor 375 Jahren.
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