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Brandenburg: Boden-Affäre: Keiner ist verantwortlich

Auch der ehemalige Finanz-Referent Engelbart kann sich nicht an Einzelheiten erinnern

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Potsdam – Im Brandenburger Enteignungsskandal um Bodenreformland bleibt weiterhin unklar, wer die vom Bundesgerichtshof als „sittenwidrig“ gerügte Landnahme-Praxis konkret zu verantworten hat. Vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages verteidigte gestern Martin Engelbart, damals zuständiger Referent im Finanzministerium, das damalige Vorgehen des Landes, bis zum 2. Oktober 2000 rund 10 000 Bodenreform-Immobilien von bis dahin nicht gefundenen Neubauernerben in Landeseigentum zu überführen. „Wir waren überzeugt, alle Mittel einzusetzen, Erben zu finden“, sagte Engelbart. Man sei aber davon ausgegangen, dass in einer unbestimmten Zahl der insgesamt 82 000 Bodenreform-Fälle im Land die Erben einfach nicht mehr auffindbar waren. „Wir wussten nicht, wie wir mit diesen Fällen umgehen sollten“, sagte er.

Engelbart konnte sich im Ausschuss an Einzelheiten und Hintergründe der Praxis kaum erinnern, obwohl er – seit einigen Jahren an anderer Stelle in der Landesverwaltung tätig – wegen seines Insiderwissens zur Bodenreform-Problematik nach dem BGH-Urteil wieder in das frühere Referat abgeordnet worden war.

Das Land hatte 1999/2000 angewiesen, dass sich die Landkreise zuerst als gesetzliche Vertreter unbekannter Erben einsetzen und danach diese Immobilien vor dem Fristablauf am 2. Oktober 2000 auf das Land übertragen. Danach verfielen alle Brandenburger Ansprüche auf Bodenreform-Immobilien. „Wir gingen davon aus, dass das rechtskonform war“, sagte Engelbart dazu. An einen Dissens mit den Kreisen könne er sich nicht erinnern.

Die Aussage steht im Widerspruch etwa zur Weigerung des Kreises Teltow-Fläming, an dieser Praxis mitzuwirken. Engelbart war nach Finanzministerin Wilma Simon (SPD) und dem einflussreichen Finanzabteilungsleiter Helmut Baesecke gestern als dritter Zeuge gehört worden. Simon hatte jegliche direkte Beteiligung an der Landnahme bestritten, Baesecke auf die ihm unterstellte Referatsebene verwiesen. Gestern wurde zudem bekannt, dass der für die Bodenreform-Abwicklung verantwortliche Referatsleiter – der Vorgesetzte Engelbarts - schwer erkrankt und als Zeuge nicht zur Verfügung stehen wird. Allerdings räumte Engelbart ein, dass er vor seiner Vernehmung sowohl Kontakt mit Baesecke als auch mit dem früheren Referatsleiter gehabt habe, bestritt aber Absprachen. Unterm Strich sieht sich die Opposition nach den bisherigen Zeugenaussagen in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Verantwortung auf niedrige Chargen abgewälzt werden soll, was der parlamentarische Linke-Geschäftsführer Christian Görke bereits auf die Formel gebracht hat: „Am Ende war der Pförtner schuld.“

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