Brandenburg: „Bombodrom“ wird Nationales Naturerbe
Heinz Sielmann Stiftung übernimmt 4000 Hektar Heidelandschaft. Der ehemalige Truppenübungsplatz ist längst zum Rückzugsgebiet von seltenen Tier- und Planzenarten geworden. Auch der Wolf ist zurück
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Fehrbellin - Steinschmätzer, Brachpieper und Ziegenmelker heißen die Bewohner heute. Es ist nichts zu hören außer dem Gezwitscher der Vögel. Die Gräser wiegen im Wind. Kaum zu glauben, dass hier einst Militärflieger ihre Bomben abwarfen. Der als „Bombodrom“ bekannt gewordene ehemalige Truppenübungsplatz in Nordbrandenburg wird endgültig von der Natur zurückerobert. Im August wird die Heinz Sielmann Stiftung offiziell 4000 der 12 700 Hektar großen ehemaligen Militärliegenschaft übernehmen.
Fast ein halbes Jahrhundert lang hatte die Sowjetarmee das Gelände genutzt. „Ein schrecklicher Lärm war das“, erinnert sich der einstige Verbindungsoffizier der NVA, Meinhard Voigt, am Donnerstag bei einer Besichtigung. Er könne die Anwohner verstehen, die sich nach der Wende fast 20 Jahre lang gegen die Wiederinbetriebnahme des Schießplatzes durch die Bundeswehr gewehrt haben. Seit die Bundeswehr im Jahr 2009 den endgültigen Verzicht bekanntgab, diskutiert die Region über die Nachnutzung der Heide- und Waldlandschaft, die im Norden an die Mecklenburger Seenplatte grenzt. Der Bundestag beschloss Ende 2011, einen Teil des Areals in das Nationale Naturerbe aufzunehmen. Genau um diese Fläche wird sich die Sielmann Stiftung kümmern.
Vorstand Michael Spielmann sagt, die Stiftung werde Teile der einzigartigen Heidelandschaft pflegen und für Besucher erlebbar machen. Das sei ein schwieriges Unterfangen, denn der Truppenübungsplatz sei hochgradig mit alter Munition belastet. Die sowjetischen Streitkräfte haben dort mit scharfer Munition geübt.
Damit Besucher künftig unter anderem auf einem etwa 13 Kilometer langen Wanderweg die Heide erkunden können, müssen die Altlasten beseitigt werden.
Spielmann spricht mit Blick auf die Heide von einem „Hotspot der Biodiversität“. Hier leben etliche Tiere, die auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen. Auch der Wolf ist in dem Gebiet heimisch geworden, sagt Oberförsterin Ute Steinke. Im Oktober können Besucher den Hirschen bei der Brunft lauschen. Aber auch die Flora ist einmalig: „Wenn die Heide blüht, ist das ein Traum“, sagt Förster Hardy Schobel.
Das einstige „Bombodrom“ gehört der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Sie beschäftigt auf dem Areal vier Forstrevierleiter, fünf Waldarbeiter und einen Feuerwerker, der Munition entfernen darf. Zugänglich gemacht wird der südliche Teil des ehemaligen „Bombodroms“, weil dieser am geringsten belastet ist. Im Kern der über 20 000 Fußballfelder großen Naturfläche ist eine Nutzung auf Jahre ausgeschlossen, weil dort unter anderem auch Streubomben abgeworfen wurden.
Während der Zeit der sowjetischen Armee war das „Bombodrom“ eigentlich nur eine einzige Sandwüste, erinnert sich Voigt. Erst seit Anfang der 90er Jahre machte sich Heidekraut breit, das auch zahlreichen Echsen und Schlangen Heimstatt geworden ist. Die Heide bleibt aber nicht von allein erhalten, sagt Förster Hardy Schobel.
Jedes Jahr im Februar oder März werden etwa 150 Hektar Heide abgebrannt, denn nach 15 Jahren sei sie nicht mehr „vital“. Nach dem Abbrennen wachse sie frisch nach. Zugleich würden durch das „Flämmen“ Bäume niedergebrannt, damit der Wald nicht die Heide erobere.
Da das Gebiet sehr trocken ist, kümmert sich die Bima auch um einen Brandschutz. Sicherheitsexperte Rainer Entrup schildert, um das gesamte „Bombodrom“ gebe es einen 50 Meter breiten Schutzstreifen ohne Bäume. Zudem würden 15 Zisternen am Rande des Gebiets angelegt, die jeweils etwa 50 000 Liter Wasser fassen. Feuerwehrleute dürfen nicht zum Löschen auf das Gelände. Es wäre zu gefährlich.
Bis Besucher das Gelände im Süden auf eigene Faust auf markierten Wegen erkunden können, werden noch etwa fünf Jahre vergehen, schätzt Projektleiter Lothar Lankow. Schon bald jedoch werde die Stiftung geführte Touren anbieten. Ein Highlight wird später die Besichtigung des alten Beobachtungspunktes. Auf einer Anhöhe verfolgten schon die Verteidigungsminister der Sowjetunion die Gefechtsübungen ihrer Armee. 21 000 Einsätze habe die Luftwaffe dort jährlich absolviert, sagt Voigt. Die Flugzeuge flogen bis zu 15 Meter tief. Heute machen das höchstens noch die Seeadler, sagt Oberförsterin Steinke.
Susann Fischer
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