Brandenburg: Botschafter der nächsten Revolution
Die andere Aufbauhilfe: In Potsdam waren junge Weißrussen zu Gast – von der Ebert-Stiftung betreute Hoffnungsträger
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Potsdam - In Weißrussland überschlagen sich die Ereignisse. Der letzte Diktator Europas, Präsident Alexander Lukaschenko, geht immer brutaler gegen die Opposition vor. Und das Land schlingert in eine schwere wirtschaftliche Krise. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung betreut junge Weißrussen, die eines Tages den demokratischen Aufbau gestalten sollen. Eine Gruppe von ihnen war am Donnerstag Gast in der Staatskanzlei in Potsdam.
„Es ist besser, wir nennen hier keine Namen“, sagt einer der Verantwortlichen der Stiftung, als er eine junge Frau und einen Mann einigen Pressevertretern vorstellt. Man wolle es der weißrussischen Geheimpolizei, die noch immer KGB heißt, nicht zu leicht machen. Und dann erzählen die beiden aus ihrem Leben die Geschichten, die die Welt inzwischen auch beispielsweise von den Altersgenossen in Ägypten kennt. Die Geschichten von jungen Hochschulabsolventen, die keine Chance auf eine anständige Karriere haben. Die Geschichten einer Generation, die sich der sozialen Netzwerke bedient, um zunächst Gleichgesinnte auszumachen und dann möglichst überraschende, möglichst kreative Aktionen zu organisieren. In Minsk hat man sich jeden Mittwoch zum Protestspaziergang zusammengetwittert, erzählt der junge Mann. Erst kamen Dutzende, dann Hunderte, schließlich Tausende und mit ihnen die Spezialeinheiten des Regimes, die wahllos Spaziergänger festnahmen. Man dürfe aber nicht zu schnell Schlüsse ziehen aus diesen Ähnlichkeiten mit dem revolutionären Geschehen am Nil, meint seine Mitstreiterin. In Weißrussland verfüge das autoritäre Regime weiterhin über einen beachtlichen Anhang. Die beiden, die seit einiger Zeit Teilnehmer am „young leader program“ der Minsker Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung sind, sammeln in Deutschland Erfahrungen für eine andere Zeit, für den Übergang zur Demokratie. Sie sind erstaunlich genau informiert über die Aktivitäten der EU und der Bundesregierung, über das Zickzack und die enttäuschten Erwartungen aus dem Dialog mit Lukaschenko. Auch da hilft das Internet. Sie loben die ganz praktischen Hilfen des Westens beispielsweise für Studenten, die in ihrer Heimat zwangsweise exmatrikuliert werden, weil sie durch missliebige Äußerungen und Aktivitäten auffallen. In der EU würde diesen jungen Weißrussen jetzt, wie versprochen, zunehmend Ersatzstudienplätze angeboten, berichten sie. Und sie haben vor allem einen großen Wunsch, wenn es darum geht, zu helfen bei der Auseinandersetzung um ein freiheitliches Weißrussland. Die Visa- und Einreisepolitik der EU sei einer der Schlüssel, mit dem viel bewirkt werden könne, sagt der junge Mann. Bei dem Gespräch in der Potsdamer Regierungszentrale hätte man sich den Dolmetscher sparen können, wenn denn die Englischkenntnisse deutscher Journalisten auch nur annähernd so gut wären wie die der jungen Weißrussen. Albrecht Gerber (SPD), der die Staatskanzlei leitet und die Gruppe empfangen hatte, versucht in dürren Worten das Dilemma zu erklären, in das auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geraten ist, der in den letzten Jahren mehrfach nach Minsk reiste und Vertreter des Regimes traf. Es sei unklar, „ob sich Gespräche mit Offiziellen noch lohnen“, sagt er. Die Besucher kommen ihm da entgegen. „Wir erwarten nicht, dass die Demokratie von außen kommt“, sagt der junge Mann, der für die Gruppe spricht. Als er dann von der Pressebegegnung kommend in der Kantine wieder auf seine Reisegefährten trifft, applaudieren die stolz. In Potsdam eine Pressekonferenz gut überstanden zu haben – so sehen wohl die ersten Schritte in die Freiheit aus. Johann Legner
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