Brandenburg: Brandenburg blitzt
Zu schnell unterwegs? Im Umland könnte das für Autofahrer heute Folgen haben, in Berlin eher nicht. Die Hauptstadtpolizei macht nicht mit beim Blitzermarathon, weil sie ihn für quasi wirkungslos hält
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Potsdam - Ab 6 Uhr wird am heutigen Mittwoch geblitzt – aber nur in Brandenburg. Berlin beteiligt sich in diesem Jahr nicht am 24-stündigen, europaweiten „Blitzermarathon“. In Brandenburg dagegen soll es mehr als 200 Kontrollpunkte geben. „In Brandenburg ist Geschwindigkeit die Unfallursache Nummer eins bei Verkehrsunfällen mit Todesfolge“, sagte Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke. 35 Menschen starben 2016 bei Tempo-Unfällen, sogar 75 waren es 2015. Die Zahl der Schwerverletzten ist dagegen 2016 gestiegen. „Der Blitzermarathon rückt das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit und macht auf die schwerwiegenden Folgen solcher Unfälle aufmerksam“, sagte Mörke weiter. Kontrolliert werde vor allem in Alleen und in der Nähe von Schulen, Kindergärten und Seniorenheimen, alle Orte sind im Internet veröffentlicht.
Berlin macht erstmals nicht mehr mit. Im März hatte Polizeipräsident Klaus Kandt bei der Bekanntgabe der Unfallzahlen für 2016 gesagt, dass die geringe Nachhaltigkeit der Aktion nicht den hohen Aufwand rechtfertige. Der Effekt – niedrigeres Durchschnittstempo – war am nächsten Tag verpufft.
Beim ersten bundesweiten Blitzermarathon im Oktober 2013 hatte die Polizei in 24 Stunden mehr als 83 000 Raser erwischt – obwohl zur Taktik gehörte, einen Teil der Kontrollstellen vorher zu veröffentlichen.
Erfunden wurde das Konzept 2011 in Nordrhein-Westfalen, Kritik daran gibt es seit Jahren. Der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow hatte es mal eine „PR-Aktion ohne nachhaltigen Effekt auf die Verkehrssicherheit“ genannt. Notwendig sei eine kontinuierliche Verkehrsüberwachung – dafür fehle der Polizei aber Personal. Im April 2013, bei der ersten Teilnahme Berlins am Blitzermarathon, hatte Polizeipräsident Kandt gesagt, „dass das Geschwindigkeitsniveau auf den Straßen Berlins spürbar niedriger ist als an einem normalen Werktag“.
„Nicht angepasste Geschwindigkeit“ ist in Berlin nur die dritthäufigste Unfallursache. In Städten mit dichtem Verkehr sind naturgemäß Abbiege- und Vorfahrtsfehler die Hauptunfallursachen. Zu hohes Tempo ist allerdings im vergangenen Jahr als Unfallursache deutlich, nämlich um elf Prozent, angestiegen. Gemessen wurden in Berlin im Jahr 2016 knapp zwölf Millionen Kraftfahrzeuge, 500 000 mehr als im Jahr zuvor. Nur knapp fünf Prozent der gemessenen Fahrzeuge waren zu schnell. Ein Grund für diesen extrem niedrigen Wert in der Polizeistatistik ist, dass viele Autofahrer automatisch bremsen, wenn vor ihnen ein Autofahrer die Kontrolle mit dem Handlaser bemerkt und bremst. Zudem toleriert die Polizei bekanntlich selbst in einer 30er-Zone Tempo 38. Gestoppt werden Autos erst ab einem gemessenen Wert von Tempo 39.
Wie es um das Berliner Tempo tatsächlich bestellt ist, zeigen Zahlen von einer Kontrolle mit verstecktem Blitzer: Am Karfreitag war ein solcher zwischen 7.30 Uhr und zwölf Uhr in der Seestraße aufgestellt. Mehr als die Hälfte der Wagen war zu schnell, nämlich 652 von knapp 1200 Fahrzeugen. Die Kontrolle war zwischen Goerdelerdammbrücke und Sylter Straße in Richtung Wedding, also direkt hinter der Stadtautobahn A 100. Hier gilt Tempo 50, was für die Mehrzahl der Autofahrer aber kein Grund war abzubremsen. Eine Frau fuhr 113 Stundenkilometer, also mehr als doppelt so schnell wie erlaubt. 67 Autofahrer erwartet ein Fahrverbot – sie waren mehr als 31 Stundenkilometer zu schnell. Jörn Hasselmann
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