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Urteil des BGH: Brandenburg hält an Abschiebegefängnis fest

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes zur Abschiebehaft fordern die Grünen und der Flüchtlingsrat deren Abschaffung.

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Potsdam - Brandenburgs Abschiebegefängnis für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt bleibt auch nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) bestehen. Der BGH hatte am Mittwoch entschieden, dass Asylbewerber vor ihrer Abschiebung in ein anderes EU-Land nicht mehr wegen Fluchtgefahr inhaftiert werden dürfen. Die Grünen-Fraktion im brandenburgischen Landtag und der Flüchtlingsrat forderten daher von der Landesregierung, die Praxis der Abschiebehaft in Brandenburg zu beenden. Doch das Landesinnenministerium hält weiter daran fest.

Noch am Mittwoch hatte die Zentrale Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt nach dem Urteil des BGH entschieden, einen von zwei derzeit im Abschiebegefängnis inhaftierten Flüchtlingen aus der Haft zu entlassen. Der ursprüngliche Haftbeschluss habe auf der vom BGH beanstandeten Gesetzesnorm basiert und sei nun rechtswidrig. „Die entlassene Person wurde in der Erstaufnahmeeinrichtung aufgenommen“, sagte die Sprecherin des Innenministeriums, Susann Fischer. Der andere Insasse bleibt jedoch in Haft. Bei ihm bestünden die Haftgründe fort, weil er sich bereits einmal einer Überstellung in ein sogenanntes sicheres Drittland entzogen habe, hieß es.

Flüchtlinge, die auf dem Landweg nach Deutschland kommen und kurz darauf von der Bundespolizei aufgegriffen werden, kommen in Haft, noch bevor sie einen Asylantrag stellen können. So war es auch in Eisenhüttenstadt. Sie wurden nach Angaben des BGH wegen Fluchtgefahr eingesperrt, damit sie sich der Abschiebung nicht entziehen können. In der Regel dürfe die Haft gegen einen Ausländer „wegen Fluchtgefahr aus Angst vor Abschiebung“ aber gar nicht angeordnet werden, um nach dem sogenannten Dublin-Verfahren seine Überstellung in ein anderes EU-Land zu sichern, hieß es in der BGH-Entscheidung. Dafür fehle es an einer Rechtsgrundlage in Deutschland.

Im konkreten Fall eines Pakistaners entschied der BGH, dass die Haftanordnung den Betroffenen in seinem Freiheitsrecht verletzt habe, hieß es. Nach der seit 2014 geltenden Dublin-III-Verordnung müssen für die Annahme einer Fluchtgefahr objektive Kriterien vorliegen. Welche diese Kriterien sein könnten, habe Deutschland bisher nicht geregelt, rügten die BGH-Richter.

Der Flüchtlingsrat Brandenburg sieht nun keine Rechtfertigung mehr für die Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt. Das Land halte in Eisenhüttenstadt eine überteuerte, „fast leere Vollzugseinrichtung vor, für die es in den allermeisten Fällen keine rechtliche Grundlage gab und die die Freiheitsrechte Schutzsuchender systematisch verletzt“, sagte die Sprecherin des Flüchtlingsrats Ivana Domazet. Nach dem BGH-Urteil seien die meisten Häftlinge in Eisenhüttenstadt schutzsuchende Menschen. Im Jahr 2012 seien das in Brandenburg nach Angaben des Flüchtlingsrates 83 Prozent aller Häftlinge gewesen, Tendenz steigend.

Die Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher beklagte zudem, dass das Abschiebegefängnis nie ausgelastet war. „Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der Inhaftierten dort unrechtmäßig festgehalten wird, stellt sich die Frage nach dem Sinn einer derart teuren Einrichtung überhaupt“, sagte sie.

Brandenburgs Innenministerium sieht keinen Grund, das Abschiebegefängnis zu schließen. Auf PNN-Anfrage teilte es mit: „Die Inhaftierung von Ausländern im sogenannten Dublin-Verfahren ist unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs rechtlich zulässig.“ Es gebe neben der vom BGH beanstandeten Fluchtgefahr auch noch andere Haftgründe. Etwa wenn „der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer beim Wechsel seines Aufenthaltsorts der Ausländerbehörde keine Anschrift mitgeteilt hat oder aus von ihm zu vertretendem Grund zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde“.

Die Abschiebungshaft werde es im Land Brandenburg schon allein deshalb weiter geben, weil sich der Beschluss des Bundesgerichtshofes ausschließlich auf das Dublin-Verfahren beziehe. „Abschiebungshaft kann aber auch angeordnet werden, wenn nach Aufenthalt in Deutschland die Ausreisepflicht zwangsweise durchgesetzt werden soll“, sagte die Ministeriumssprecherin. Zudem verweist sie auf das Bundesinnenministerium, das gerade einen Gesetzentwurf für eine Reform des Asylrechts erarbeitet und darin die Fluchtgefahr neu bestimmen will, um rechtssichere Entscheidungen zu erreichen. Alexander Fröhlich

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