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Von Liva Haensel: Brandenburg-Verbot für Charité-Studenten Nachwuchs-Ärzte dürfen künftig keine Praktika in Lehrkrankenhäusern des Landes absolvieren

Sie werden die Ärzte nicht mehr bei den morgendlichen Visiten begleiten. Kein Blutabnehmen, keine Patientengespräche.

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Sie werden die Ärzte nicht mehr bei den morgendlichen Visiten begleiten. Kein Blutabnehmen, keine Patientengespräche. Die weißen Kittel bleiben unberührt am Kleiderhaken hängen. Berliner Medizinstudenten, die ihre studienbegleitenden Praktika am Bett von Patienten in einer Brandenburger Klinik absolvieren wollen, haben künftig Pech: Die Charité erlaubt ihren Studenten nicht mehr, ihren Einsatz an einem so genannten akademischen Lehrkrankenhaus in Berlin oder Brandenburg zu machen. Das betrifft insgesamt 48 Häuser – zwölf davon in Brandenburg. Die Nachwuchs-Ärzte sollen nur noch an den vier Berliner Charité-Standorten ausgebildet werden.

In Brandenburg waren bisher ein bis zehn Charité-Studenten pro Ausbildungs-Klinik tätig. „Uns trifft die Entscheidung deshalb hart“, sagt Heidrun Grünewald, die Geschäftsführerin des Cottbusser Carl -Thiem-Klinikums. Ihr Kollege Thomas Erler, stellvetretender ärztlicher Leiter des Klinikums, hat ausgerechnet, dass in Cottbus jährlich rund 80 Jungmediziner ausgebildet werden könnten. Tatsächlich seien es aber nur zehn, weil die meisten gar nicht aus Berlin wegwollten. Die Kündigung der Charité würde diesen Trend jetzt noch verstärken. Nach seiner Erfahrung ändern Medizinstudenten ihre Meinung rasch, wenn sie einmal in einem Brandenburger Krankenhaus gearbeitet hätten, aber: „Leider kommt es oft gar nicht soweit“.

Das Kündigungsschreiben der Charité kann für die an Ärztemangel leidende Region fatale Folgen haben: Schon jetzt steht Brandenburg laut Landesstatistiken am unteren Ende, wenn es um das Arzt-Patienten-Verhältnis geht. Durchschnittlich versorgen dort nur 27 Mediziner rund 100 Patienten. In Zukunft könnten es noch weniger werden. Denn die Praktika vermitteln den Studenten den Arzt-Alltag auf der Station. „Sie binden ihn positiv an das Krankenhaus“, sagt Heidrun Grünewald. Wer einmal als Medizinstudent in einer gut ausgestatteten Brandenburger Klinik tätig war, sei gerne dorthin zurückgekehrt – entweder als Arzt im so genannten Praktischen Jahr (PJ) oder als Assistenzarzt direkt nach dem Studienende. Experten nennen es „Klebe-Effekt“: Jemand kommt und bleibt. „Für uns war das gut – wir konnten junge Mediziner anziehen, die später sogar Ober- und Chefärzte wurden.“

In Brandenburg gibt es keine medizinische Hochschule. „Das Land ist auf den Berliner Nachwuchs angewiesen“, sagt Grünewald. Doch Berlin mache nun dicht. Hintergrund ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes vom vergangenen Jahr: Demnach können sich junge Leute für Medizin einklagen, weil sich die Studienplätze an der Bettenzahl der Lehrkrankenhäuser orientiert. Durch die Brandenburger Krankenhäuser war die Anzahl der Betten bisher sehr hoch – sie betrug 17 000. Dafür gibt es 8000 Studienplätze für Medizinstudenten. 5000 Studienplätze für Mediziner sollen in den kommenden Jahren allerdings wegfallen. Die Kündigung sei unausweichlich, sagt Prodekan Manfred Gross: „Die Charité würde es in existentielle Nöte bringen, denn mit 8000 Studienplatzbewerbern und hunderten Zulassungsklagen ist das Interesse an einem Studienplatz extrem hoch.“

Klinik-Chefs in Brandenburg befürchten, dass nun auch die Plätze für die PJ“ler gestrichen werden. Prodekan Gross verneint das allerdings. Es liege ausschließlich an der Attraktivität einzelner Standorte, für welche Häuser sich die Absolventen der Charité als Ausbildungsstätte im Praktischen Jahr und nach dem Examen als Arbeitsplatz entscheiden, heißt es in einem Schreiben des Prodekans. Und weiter: „Ein Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem Ärztemangel in Brandenburg besteht daher aus Sicht der Charité nicht.“

Liva Haensel

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