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Allein auf weiter Flur? Brandenburgs Regierung vernachlässigt die Fläche des Landes, kritisiert der Bauernbund.

© Theo Heimann/ddp

Vernachlässigte Regionen: "Brandenburg verschärft Probleme im ländlichen Raum"

Ein einer Position für die PNN kritisiert Karsten Jennerjahn Brandenburgs Politik für die ländlichen Regionen. Statt zu fördern, dramatisiere das Land die Lage und ziehe sich aus der Fläche zurück. Die Landtags-Grünen sehen das ähnlich.

Stand:

Wolfserwartungsland, Wegzugsprämie – die städtische Sicht auf den ländlichen Raum Brandenburgs spart nicht mit drastischen Formulierungen und Vorschlägen, stellt Karsten Jennerjahn, Präsident des Bauernbundes Brandenburg, fest.  In einer Position für die PNN kritisiert er die Landespolitik, die eine demografische Herausforderung nie da gewesenen Ausmaßes postuliere und schmerzhafte Einschnitte und radikale Reformen somit legitimiere.

Dabei werde die Realität in der Brandenburger Fläche verkannt, statt Strukturschwäche fänden sich vielmehr blühende Landschaften, so Jennerjahn weiter. Der ländliche Raum werde somit zugunsten der Ballungszentren vernachlässigt, tatsächliche Probleme auf dem Land dadurch verschärft anstatt gemildert.

Lesen Sie die ganze Position von Karsten Jennerjahn in der WOCHENENDAUSGABE der POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN

Ähnlich sieht es offenbar auch die Grünen-Landtagsfraktion: Die reagierte am Freitag mit Spott auf das am Donnerstag von Sozialminister Günter Baaske (SPD) vorgestellte Projekt Dorfkümmerer. Dabei sollen sogenannte Dorfkümmerer das soziale Gemeinschaftsleben in ländlichen Regionen in Gang bringen und damit dem weiteren Bevölkerungsschwund entgegenwirken. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Sabine Niels sagte am Freitag dazu: „Die Dorfverkümmerer sitzen in Potsdam.“ Es sei zwar lobenswert, ehrenamtliches Engagement in den Dörfern zu fördern. „Wichtiger wäre es, wenn die Dorfverkümmerer in der Landesregierung endlich eine andere Politik machen würden. Die Versäumnisse von Rot-Rot lassen dies leider nicht erwarten.“ Niels forderte stattdessen einen grundlegenden Kurswechsel in der Agrarpolitik. „Nötig ist eine gezielte Förderung des Ökolandbaus und bäuerlicher Strukturen auf der Basis einer nachhaltigen Agrarstrategie, die sich an den Bedürfnissen des Landes ausrichtet und nicht an den Bedürfnissen der Agrarindustrie.“

Niels machte ihre Kritik an der Landesregierung an einer Reihe von Punkten fest. So habe die Landesregierung keine Strategie, wie junge Familien und bäuerlicher Nachwuchs auf das Land gelockt werden können. Auch gebe es kein Leitbild und keine Strategie für die Agrarpolitik sowie die ländliche Entwicklung. Zudem würden explodierende Bodenpreise und der Kauf von Agrarland durch Spekulanten und Konzerne den rasanten Wandel der Agrarstruktur noch befördern. Überdies seien die Fördermittel für Ökolandbau gestrichen worden. Auch die Fördermittel und für die ländliche Entwicklung, etwa bei der Dorferneuerung, willkürlich gestrichen worden, insbesondere für private Antragsteller und entgegen den Zusagen im Koalitionsvertrag. Niels kritisierte, dass die Landesregierung einfach ausblende, dass diese Faktoren den demografischen Wandel verschärfen.

Auch Experten sehen das Vorgehen der Landesregierung kritisch. In der Enquetekommission des Landtags zur DDR-Aufarbeitung kam ein Gutachter, Helmut Klüter, Professor für regionale Geografie an der Universität Greifswald, zu dem Ergebnis, dass die Agrarstrukturen in Brandenburg die Abwanderung beschleunigen. Denn die märkische Agrarwirtschaft liegt demnach bei der Produktivität im Ländervergleich auf dem vorletzten Platz. Auch die Beschäftigungsquote ist mit 1,7 Arbeitskräften je 100 Hektar vergleichsweise gering. Besonders entwicklungshemmend wirkt sich laut Klüter die überwiegende Bestellung der Flächen durch wenige Großbetriebe aus. Sie würden mit der Massenproduktion für die Nahrungs- und Futtermittelindustrie sowie für Biogas-Anlagen Kleinbauern vom Markt verdrängen. Der Gutachter machte „neofeudale Besitzstrukturen“ und ein Monopol der Großbetriebe aus. Diese würden noch durch die von der EU gezahlten Flächenprämien stabilisiert, e<NO>Eine Wertschöpfung in der Region finde nicht statt. Bei der Vermögensbildung in der Landbevölkerung habe Brandenburg den größten Rückstand zum Westen. Die Folgen: regionalwirtschaftliche Verarmung und damit hausgemachter demografischer Wandel.

Victoria Büsch, Professorin für Ökonomie und Demografie an der SRH Hochschule für Internationales Management in Berlin, hatte Mitte Februar bei einer Anhörung im Landtag zudem kritisiert, dass der Landesregierung angesichts dramatisch sinkender Einwohnerzahlen Visionen und eine zentrale Strategie für ein Gegensteuern fehlen würden.

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