Von Matthias Matern: Brandenburg will Bergaufsicht verschärfen
84 Schafe und fünf Lkw bei Erdrutsch in einem nordsächsischen Tagebau verschüttet. Umweltschützer fordern Aus für Braunkohle
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Hoyerswerda/Cottbus - Nach einem folgenreichen Erdrutsch in einem nordsächsischen Tagebaugebiet nahe der Landesgrenze zu Brandenburg erwägt der Präsident des brandenburgischen Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) in Cottbus, Klaus Freytag, einen restriktiveren Umgang mit Anfragen zur Zwischennutzung ungesicherter Tagebauflächen. Außerdem plädiert Freytag für eine Verschärfung der Bergaufsicht. Bergbauunternehmen sollten künftig länger als bisher in der Verantwortung stehen, sagte der LBGR-Präsident am Mittwoch gegenüber den PNN. Erst wenn der Grundwasserspiegel in einem stillgelegten Tagebau den vorgesehenen Pegelstand erreicht habe, sollten die Betriebe aus ihrer Verpflichtung entlassen werden.
Nahe der nordsächsischen Gemeinde Elsterheide, rund 20 Kilometer südlich von Spremberg (Spree-Neiße), kam es am Dienstag zu einem großen Erdrutsch in einem ehemaligen Braunkohletagebau. Ersten Schätzungen des sächsischen Wirtschaftsministeriums zufolge war Erdreich auf einer Fläche von 1,8 Kilometern Länge und 600 Metern Breite abgesackt. Das entspricht in etwa einer Fläche von mehr als 100 Fußballfeldern. Wie tief die Erde nach unten rutschte, sollen nun Messungen ergeben. Menschen seien bei dem sogenannten Grundbruch in dem unbesiedelten Gebiet nicht zu Schaden gekommen.
Laut Medienberichten jedoch wurden 84 Schafe einer Herde von den abrutschenden Erdmassen erfasst und getötet. Mehrere Lastkraftwagenfahrer sollen sich zudem gerade noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben. Ihre Fahrzeuge dagegen wurden mitgerissen. Auch mehrere Arbeitsgeräte sollen verschüttet worden sein. Weder das Sächsische Oberbergamt in Freiberg noch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau- und Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV), die für die Sanierung des ehemaligen Tagebaus zuständig ist, besaßen gestern eigenen Angaben zufolge Informationen aus erster Hand. LMBV-Sprecher Volker Krause konnte lediglich bestätigen, dass fünf Lastkraftwagen in Schlamm und Erde feststecken. „Wir können derzeit noch keine Aussagen zur Ursache treffen, das Gelände wird gesichert“, sagte Krause.
„Wir sind mit den sächsischen Kollegen im Gespräch“, berichtete Klaus Freytag gestern. Seit dem Vorfall in Nachterstedt vor etwas mehr als einem Jahr hätten die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg ihre Kommunikation deutlich intensiviert, um bei größeren Zwischenfällen mögliche Auswirkungen auf die eigenen Gebiete frühzeitig abschätzen zu können , so der LBGR-Präsident. Folgen für brandenburgisches Gebiet seien jedoch nicht zu erwarten.
Am 18. Juli 2009 waren bei Nachterstedt in Sachsen-Anhalt rund 2,8 Millionen Kubikmeter Böschungsmasse in einen künstlichen Tagebausee gestürzt. Sie hatten ein Doppelhaus und eine Haushälfte in die Tiefe gerissen. Drei Menschen starben, 40 verloren ihr Zuhause. Für die Beseitigung der Schäden stellten Bund und Land rund 41 Millionen Euro zur Verfügung.
„Der Vorfall vom Dienstag zeigt uns, dass wir in Brandenburg damit richtig liegen, Gefahrenstellen großräumig abzusperren und zu kennzeichnen“, sagte Klaus Freytag. Der Schäfer im sächsischen Elsterheide habe vermutlich um die Gefahr gewusst, so der Präsident des Landesbergamtes. Auch in Brandenburg gebe es immer wieder Anfragen für eine Zwischennutzung von Tagebauflächen, deren Sanierung noch nicht abgeschlossen sei. Bislang sei es durchaus möglich gewesen, eine Genehmigung zu bekommen, solche Areale etwa als Weideflächen zu bekommen, räumte Freytag ein. „Allerdings müssen wir überlegen, ob wir künftig noch kritischer mit solchen Anfragen umgehen.“ Die Kernfrage aber sei, so Freytag, wann die „Schuldigkeit“ der Tagebaubetreiber künftig enden müsse. Aus seiner Sicht sollten die Unternehmer länger in Verantwortung bleiben. „Nicht wie bisher, bis die Oberfläche als gesichert gilt, sondern solange der Grundwasserspiegel noch nicht den vorgesehenen Pegelstand erreicht hat“, meinte der LBGR-Präsident.
Auch im Land Brandenburg gab es in der Vergangenheit immer wieder Erdrutsche. Wegen des feinen märkischen Sandes ist das Erdreich für das Phänomen Setzungsfließen besonders anfällig. Dabei wird lockerer, feinkörniger Sandboden durch eindringendes Wasser aufgeschwemmt, verliert den Halt und rutscht schon durch die kleinste Erschütterung weiträumig ab. Im Oktober 2009 brach im Bereich eines gefluteten Tagebausees bei Jänschwalde (Spree-Neiße) eine Böschung auf rund 200 Metern Länge ab. Verletzt wurde aber niemand. Derzeit werden im Bereich des Lausitzer Braunkohlereviers insgesamt 30 ehemalige Gruben geflutet. Entstehen soll eine der größten künstlichen Seenlandschaften Europas.
Umweltschützer im Land Brandenburg nahmen den Erdrutsch im sächsischen Elsterheide gestern zum Anlass, erneut das Ende der Braunkohle-Förderung zu fordern. „Die Lausitz hat ein weiteres Warnsignal erhalten. Sie wird mit den Folgen des bisherigen Bergbaus noch Jahrzehnte kämpfen müssen und sollte die Planung neuer Tagebaue stoppen“, sagte René Schuster von der Grünen Liga in Cottbus. Der Braunkohlebergbau bleibe ein nicht beherrschbarer Eingriff.
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