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Pläne von Justizminister Ludwig für Geldstrafen: Brandenburg will Ersatz-Haft streichen
Wer Geldstrafen nicht zahlen kann, geht in den Knast. Brandenburgs neuer Justizminister Stefan Ludwig von der Linkspartei will diese Praxis nun abschaffen. Gründe hat er viele dafür, nur eine klare Alternative nicht.
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Potsdam - Wer zu einer Geldstrafe verurteilt wird, aber nicht zahlt, kommt in der Bundesrepublik ins Gefängnis. Brandenburgs neuer Justizminister Stefan Ludwig (Linke) will die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe nun aber abschaffen. Dazu legt der neue Ressortchef einen entsprechenden Antrag für die Anfang Juni in Nauen (Havelland) tagende Justizministerkonferenz, deren Vorsitz Brandenburg derzeit innehat, vor.
Damit folgt Ludwig der Linie von Brandenburgs erstem Justizminister von der Linkspartei, Volkmar Schöneburg, für eine weitere Liberalisierung des Strafvollzugs. Neben der Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe will Brandenburg auch gemeinsam mit anderen Bundesländern erreichen, dass Strafgefangene künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Ersatzknast
Zur Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe heißt es in dem Beschlussentwurf, der den PNN vorliegt: „Rechtspolitisch, möglicherweise auch verfassungsrechtlich, bedenklich, erscheint die Anordnung und Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen. Sie ist vor allem sozial ungerecht.“ Nach den jüngsten Zahlen des Bundesjustizministeriums werden immer mehr Menschen zu Geldstrafen verurteilt. Rund 83 Prozent der von Deutschlands Gerichten verhängten Urteile sind demnach Geldstrafen. Meist geht es um Straßenverkehrsdelikte, Schwarzfahren, Betrug und Eigentumskriminalität. Für den renommierten Bremer Kriminalwissenschaftler Johannes Feest sind es sogar nur Bagatelldelikte. Doch in rund sieben Prozent der Fälle – so die Statistik – zahlen die Verurteilten die Geldstrafe nicht.
Für problematisch hält es Brandenburgs Justizministerium vor allem, dass „die – möglicherweise unverschuldete – Zahlungsunfähigkeit des Verurteilten zu einem Freiheitsentzug führt“, obwohl das Gericht die mildere Geldstrafe als ausreichend angesehen hat. Verfassungsrechtlich bedenklich sei es obendrein, dass nicht Richter, wie es eigentlich im Grundgesetz vorgeschrieben ist, entscheiden, dass jemand in den Knast muss, wenn er die Geldstrafe nicht begleichen kann oder will. Das entscheiden in solchen Fällen Rechtspfleger, die aber überhaupt keine richterliche Befugnis haben.
Geldstrafe trifft vor allem "mittellose Täter"
Zudem bezweifelt Brandenburg die präventive Wirkung von Ersatzhaft. Denn Gefängnisstrafen unter sechs Monaten sind die Ausnahme und sollen nur unter besonderen Umständen verhängt werden. Bei der Ersatzfreiheitsstrafe aber werden die Betroffenen nur für rund 30 Tage verwahrt, die übliche sozialpädagogische Betreuung entfällt, nicht selten würden sie „durch erfahrene Betroffene kriminell infiziert“, heißt es in der Beschlussvorlage.
Abgesehen davon, dass die Polizei immer wieder Kriminelle bei Kontrollen erwischt, die die Geldstrafe nicht zahlen wollen, sieht das Linke-geführte Justizministerium in Potsdam ein ganz anderes Problem. Betroffen seien vor allem „mittellose Täter“, „die nicht selten mit der Bewältigung von alltäglichen Aufgaben überfordert sind“. Es handle sich um Menschen „mit nicht unerheblichen persönlichen und sozialen Problemen“, darunter auch Suchtkrankheiten oder psychische Erkrankungen. Eine große Zahl der Betroffenen sei arbeitslos, überschuldet und zum Teil ohne festen Wohnsitz. Selbst zur Ableistung von Arbeitsstunden, um die Geldstrafe abzuleisten, fehle es „diesen Personen häufig an den notwendigen Tagesablaufstrukturen und am Durchhaltevermögen“.
Daher sind für das Justizministerium Ersatzfreiheitsstrafen auch nach dem Sozialstaatsprinzip bedenklich. „Die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen ist sozial ungerecht, da die Folgen eines auf Geldstrafe lautenden Urteils den Mittellosen härter treffen als den Verurteilten, der zahlungsfähig ist“, heißt in der Beschlussvorlage. Die Ersatzfreiheitsstrafe – pro Tagessatz ein Tag Haft – gehe mit dem Freiheitsentzug weit über die eigentlich angemessene Geldstrafe hinaus.
Gefängnisse in Brandenburg durch Ersatzfreiheitsstrafe besonders belastet
Nötig ist es aus Sicht des Justizministeriums, durch alternative Sanktionen Ersatzhaft zu vermeiden. Die Gefängnisse würden auch durch die Ersatzfreiheitsstrafen besonders belastet, da für sie ein „überproportional hoher Verwaltungsaufwand“ nötig sei. Seit Einführung der entsprechenden Rechtsnorm im Strafgesetzbuch 1969 hat sich laut Rechtswissenschaftler Feest der Anteil der Ersatzhaft an den insgesamt verhängten Haftstrafen verdreifacht. Aktuell sitze fast jeder Zehnte Inhaftierte eine Ersatzfreiheitsstrafe ab.
Daher müsse über eine effiziente Haftvermeidungspraxis nachgedacht werden, was für die Gefängnisse laut Feest enormes Sparpotenzial brächte. Als Vorbild führt die Beschlussvorlage des Justizministeriums Schweden und Dänemark an, die auf Ersatzfreiheitsstrafen verzichten. Feest etwa schlägt vor, dass Rechtspfleger stärker über das Zivilrecht Geldstrafen eintreiben sollen. Bei sozial Schwachen seien andere Instrumente nötig. Konkrete Lösungsansätze liefert aber auch Brandenburgs Justiministerium nicht.
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