Brandenburg: Brandenburger Monolog
Kreisreform: Massiver Widerstand, verheerende Kritik. Innenministerium nun kompromissbereit
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Potsdam - Brandenburgs Innenminister zeigt sich angesichts des massiven Widerstands der Kommunen gegen die Kreisreform kompromissbereit. Fast alle Landkreise und kreisfreien Städte reichten bis Freitag ihre ablehnenden Stellungnahmen mit umfangreicher Kritik an dem Gesetzentwurf zur Kreisneugliederung ein. Ministeriumssprecher Ingo Decker zeigte sich offen für Zugeständnisse. „Wir sind da kompromissbereit“, sagte er. Es werde sicher Änderungen geben. „Es ist Bewegung in der Debatte.“ Die Stellungnahmen würden jetzt aufmerksam ausgewertet. „Das wird sehr ernst genommen.“ Grundsätzlich blieb das Ministerium bei dem Ziel, größere kommunale Einheiten zu schaffen. „Wir halten an der Notwendigkeit einer Reform fest“, so Decker. Der Plan sei jetzt, dass das Kabinett Ende Mai über den dann überarbeiteten Gesetzesentwurf entscheiden könne. Danach gehe das Papier in den Landtag. Dort soll Ende des Jahres darüber befunden werden.
Nach den Plänen soll es in Brandenburg künftig neun Landkreise und die kreisfreie Stadt Potsdam geben. Bislang sind es 14 Kreise und vier kreisfreie Städte. Umgesetzt werden soll die Reform im Jahr 2019. Lediglich die Landeshauptstadt Potsdam soll nach dem bisherigen Plänen kreisfrei bleiben, Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel sollen Umlandkreisen zugeschlagen werden. Nach dem Willen von Rot-Rot sollen damit die Verwaltungen im Land fit gemacht werden für die Zukunft, wenn die Randregionen weiter Einwohner verlieren und berlinnahe Regionen weiter wachsen.
Rot-Rot steht wegen der erfolgreichen Volksinitiative gegen die Kreisreform mit 130 000 Unterschriften ohnehin unter Druck. Die Kritik der Kommunen ist obendrein verheerend. Der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Karl-Ludwig Böttcher, immerhin SPD-Mitglied, forderte einen echten Dialog. Bei einem Treffen mit Fraktionsvertretern aus dem Landtag sei dies auch zugesagt worden. Bislang habe es aber lediglich einen Monolog der Landesregierung gegeben. „Wir hoffen auf Verlässlichkeit“, sagte Böttcher. Er warf dem Land vor, neue Kreisstrukturen festgelegt und dann erst über die Aufgabenverteilung zwischen Land, Kreisen und Gemeinden nachgedacht zu haben. Die versprochene Verlagerung von Aufgaben der Kreise an Gemeinden sei unzureichend. Auch die Finanzierung – bei der die Kommunen die Hälfte beizusteuern hätten – sei nicht akzeptabel. „Ein solch dilettantisches Vorgehen habe ich noch nicht erlebt“, sagte Böttcher. Nötig seien ein kompletter Neuanlauf bei der Debatte. Vieles habe sich geändert – etwa die Bevölkerungsprognose oder auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Land. Der gegenwärtige Referentenentwurf strotze vor Fehlern.
Die Landkreise lehnen die Kreisreform kategorisch ab. Das Ergebnis ihrer Stellungnahmen an das Innenministerium: Der Gesetzentwurf sei „unbrauchbar und ungeeignet“, eine grundlegende Überarbeitung zwingend notwendig. Paul-Peter Humpert, Geschäftsführer des Landkreistages, erklärte, Teile der Vorschläge seien verfassungswidrig. Rot-Rot habe ein verheerendes Bild bei dem Reformprojekt abgegeben. „Wir haben erwartet, dass man eine Verwaltungsreform von umfassender Bedeutung für das Land vernünftig und strukturiert anfasst“, sagte Humpert. Das Gegenteil sei der Fall gewesen.
Auch in der Koalition selbst fehlt es an Rückhalt. Sozialminister Diana Golze und die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (beide Linke) stimmten im Kreistag Havelland gegen die Kreisreform – hier für die Aufnahme von Brandenburg/Havel. Im Kreistag von Dahme-Spreewald hatten Justizminister Stefan Ludwig (Linke) und die Landtagsabgeordneten Tina Fischer und Sylvia Lehmann (beide SPD) gegen eine Fusion mit Teltow-Fläming votiert. Rochus Görgen, Alexander Fröhlich
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