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In Brandenburg können 60 Prozent der Oberschüler quasi überhaupt nicht rechnen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Bildung: Unter Mindeststandard in Brandenburg: Brandenburger Schüler mit eklatanten Lücken

Erschreckende Ergebnisse der Vergleichsarbeiten der Achtklässler: 60 Prozent der Oberschüler können in Mathe fast nichts. Rückstände haben sie auch in Deutsch und Englisch.

Potsdam - Brandenburgs Schüler haben immer noch dramatische Schwächen und Rückstände vor allem in Mathematik, aber auch in Deutsch und Englisch. Das geht nach PNN-Recherchen aus den Ergebnissen der Vergleichsarbeiten der Brandenburger Achtklässler „Vera 8“ für 2016 hervor. Der Bericht wurde in dieser Woche in aller Stille – ohne jeden Hinweis, ohne jede Erläuterung, ohne jede Erklärung des von Minister Günter Baaske (SPD) geführten Bildungsministeriums – auf der Homepage des Instituts für Schulqualität Berlin-Brandenburg (ISQ) der beiden Länder publiziert. Eigentlich sollte das erst in ein paar Wochen geschehen. Doch letzten Freitag hatten die PNN eine Anfrage an das Ministerium gestellt, wie die Brandenburger bei den Vera-Tests abgeschnitten haben, nachdem die Berliner Ergebnisse bereits Ende Oktober veröffentlicht worden waren. 

Tests sind Frühwarnsystem für die Schulen

Teilgenommen an den Tests haben knapp 15 000 Schüler von 244 Schulen. Nur die Gymnasien, an die nach sechs Grundschuljahren eher leistungsstärkere Schüler wechseln, schneiden gut ab. Im Nachbarland Berlin können Achtklässler nach den schon Ende Oktober publizierten „Vera 8“-Ergebnissen allerdings noch weniger.

Mit den turnusmäßigen Vera-Tests soll ermittelt werden, was für eine Ausbildungsreife der Schüler in den nächsten zwei Schuljahren noch erreicht werden muss – viele der Schüler beginnen zwei Jahre später ihre Ausbildung. Im Brandenburg-Länderbericht heißt es dazu: „Ein solches Frühwarnsystem soll den Schulen ermöglichen, frühzeitig auf Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler reagieren zu können.“ 

6o Prozent an Oberschulen, 40 an Gesamtschulen in Mathematik "unter Mindeststandard"

Die aktuellen Befunde, die vor allem auch Vermittlungsschwächen der Grundschulen im Land hindeuten, könnten kaum dramatischer sein: In Brandenburg können demnach Tausende Kinder nach acht Schuljahren in Mathematik fast nichts, zumindest wenn sie nicht an Gymnasien lernen. In Mathematik sind die Ergebnisse der märkischen Achtklässler alarmierend mies – und sogar noch schlechter als vor einem Jahr. Danach können aktuell 60 Prozent der Oberschüler (2015: 41 Prozent) und 40 Prozent der Gesamtschüler (2015: 32 Prozent) in Mathematik im achten Schuljahr nicht einmal einfache Aufgaben lösen.

Sie scheitern schon an Minimalanforderungen und sind zwei Jahre vor den Prüfungen der 10. Klasse „unter Mindeststandard“ in diesem Fach, der schlechtesten der niedrigsten Kategorie einer Fünf-Kompetenzstufen-Skala. Zitat: „Hier fehlen ... basale Kenntnisse, um ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben bestreiten zu können.“ Von einer Ausbildungsreife sind sie jedenfalls weit entfernt. 

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Ergebnisse bestätigen Klagen der Wirtschaft über Schulabgänger

Den „Regelstandard“, also das Ziel wenigstens durchschnittlicher Mathe-Kompetenzen zu erreichen, schafft nach acht Schuljahren in Brandenburg jedenfalls nur jeder zehnte Oberschüler und jeder 20. Gesamtschüler. Leuchttürme sind die Gymnasien, wo die Leistungen ganz gut sind, nur vier Prozent der Schüler so wenig können.

Die Ergebnisse der Vera-Tests korrespondieren mit Erfahrungen der Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern, die seit Jahren regelmäßig klagen, wie wenig brandenburgische Schulabgänger eigentlich können, vor allem in den Fächern Mathematik und Deutsch, was in der Lehre nachgeholt werden muss. 

Viele Schüler mit großen Lücken in Rechtsschreibung

Nur wenig besser sieht es in den anderen Vera-Fächern aus. Zwar hat sich Brandenburg – anders als Berlin – bei jüngsten Ländervergleichen in Deutsch und Englisch aus dem früheren Bereich der roten Laterne unter allen Bundesländern ins Mittelfeld vorgearbeitet. Doch auch hier sind die aktuellen „Vera 8“-Ergebnisse ernüchternd, es drohen offensichtlich Rückschläge.

In Deutsch können demnach 39 Prozent der Oberschüler und 25 Prozent der Gesamtschüler nicht richtig schreiben, sind in Orthografie „unter Mindeststandard“ – in Grundkursen beider Schulformen ist das sogar mehr als jeder zweite Schüler. Beim Lesen schaffen 26 Prozent der Oberschüler und 17 Prozent der Gesamtschüler im Land selbst Minimalanforderungen nicht, in Grundkursen beider Schulformen sogar 40 beziehungsweise 42 Prozent.

Englische Texte verstehen - für 38 Prozent der Oberschüler unmöglich

Und wer schon deutsche Texte kaum lesen kann, hat es in einer fremden Sprache noch schwerer. Das rächt sich im Englisch-Vergleichstest, bei dem Texte in der Fremdsprache gelesen und gehört wurden: Beim „Leseverstehen“ englischer Texte schneiden 38 Prozent der Oberschüler und 17 Prozent der Gesamtschüler „unter Mindeststandard“ ab. An den Gymnasien in Brandenburg schaffen 91 Prozent den Regelstandard. Besser sieht es im Hörverstehen aus: „Unter Mindeststandard“ sind darin 18 Prozent der Oberschüler und acht Prozent Gesamtschüler dieser Altersgruppe.

In Berlin sind die „Vera 8“-Ergebnisse noch dramatischer. In Mathematik können dort 68 Prozent aller Achtklässler selbst einfachste Techniken nicht, wobei in dieser Zahl die Schüler der Gymnasien enthalten sind. Ergebnisse nach Schulformen sind für Berlin nicht veröffentlicht, dafür nach Stadtbezirken. Brandenburg wiederum weist weder Vera-Gesamtergebnisse aller Schüler aus noch regionale Ergebnisse für die 14 Landkreise und vier kreisfreien Städte.  

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