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Weites Land. Die Linke beruft sich auf den Verfassungsauftrag, überall in Brandenburg gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten.

© Patrick Pleul/dpa

Neues Positionspapier von Brandenburgs Linke-Fraktion: Brandenburgisches Recycling

Ein Positionspapier wird vorgestellt. Brandenburgs Linke-Fraktion will die Landregionen stärker fördern. Das Geld käme aus dem Berliner Umland. „Dezentrale Konzentration“ statt „Stärken stärken“?

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Potsdam - Natürlich weiß er, dass es Streit geben wird, Widerstände besonders aus dem Berliner Umland, aus der Landeshauptstadt Potsdam. Wie könnte es auch anders sein bei so einer fundamentalen Entscheidung? „Dann stelle ich mich auch in Potsdam hin und werde sagen: Mann darf in Brandenburg nicht nur in Potsdam leben können“, sagt Ralf Christoffers, der Fraktionschef der Linken in Brandenburgs Landtag und frühere Wirtschaftsminister. Gemeinsam mit der Abgeordneten Anke Schwarzenberg hat Christoffers an diesem Freitag zu einer Pressekonferenz ins Restaurant „Fliegender Holländer“ in Potsdam geladen. Es sah nach einem Routine-Termin aus. Und kommt ganz anders.

Die beiden Linke-Politiker stellen ein neues Positionspapier vor

Christoffers und Schwarzenberg stellen ein neues Positionspapier der Linken vor, das sie verfasst haben. Nämlich zur Zukunft des „ländlichen Raumes“ in Brandenburg, der berlinfernen Regionen also, die immer mehr unter sinkenden Einwohnerzahlen leiden, der Demografie. „In den Debatten zur Kreisreform ist der Eindruck entstanden, dass es nur um die großen Städte geht. Das wollen wir korrigieren.“

Seit geraumer Zeit schon versuchen die Linken, sich angesichts ihres stabilen Umfragetiefs seit der Niederlage bei der Landtagswahl 2014 auch in jenen Feldern zu profilieren, wo sie in der rot-roten Regierung nicht die Ministerien besetzen. So war es schon bei der Bildung, mit einem Vorstoß zur Gemeinschaftsschule. Nun folgt also der ländliche Raum. Das bietet sich zusätzlich an, weil das von SPD-Minister Jörg Vogelsänger geführte Agrar- und Umweltministerium mit regelmäßigen Patzern als eines der schwächsten der Regierung gilt.

Stichworte in dem Papier sind etwa bessere Infrastruktur und eine Stärkung der Fischwirtschaft

Vieles, was Christoffers und Schwarzenberg in dem Acht-Seiten-Papier zusammengetragen haben, ist wenig spektakulär, nicht neu. Stichworte sind etwa der der Erhalt aller Krankenhäuser, bessere Verkehrsverbindungen, die Gemeindeschwester Agnes, eine stärkere Förderung der Fischwirtschaft. Drin steht auch, dass die Linken dafür eintreten, ähnlich wie Mecklenburg-Vorpommern den weiteren Rückgang landwirtschaftlicher Nutzfläche zu stoppen, was mit Naturschutz und Siedlungsentwicklung kollidiert.

Aber dann findet sich auf der letzten Seite der Schlusspassus, der es in sich hat, der unter der Überschrift „Weitere Vorhaben zur Stärkung des ländlichen Raumes“ versteckt in der Konsequenz einen erneuten Richtungswechsel in der Förder- und Regierungspolitik Brandenburgs bedeuten würde. Verwiesen wird auf die laufende Überarbeitung des Landesentwicklungsplanes, in den nach den bisherigen Entwürfen – da sind sich alle einig – die „Grundzentren“ wiederaufgenommen werden sollen. Es sind einhundert Gemeinden, die 2007 bei der Neuausrichtung der Förderpolitik unter dem damaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) aus dem Plan gestrichen worden sind. Damals war die Förderung auf 50 Mittelzentren und die vier großen Oberzentren konzentriert worden, „Stärken stärken“ löste die „Dezentrale Konzentration“ ab.

Die Grundzentren sollen finanziell bessergestellt werden

Genau dieses Prinzip soll nun nach dem Plan der Linken recycelt werden. Sie wollen es nicht nur bei der bislang geplanten formalen Wiederausweisung der Grundzentren bewenden lassen. „Das reicht nicht aus“, sagte Christoffers. Stattdessen sollen diese wie früher finanziell über das Finanzausgleichsgesetz (FAG) bessergestellt werden, das in Brandenburg die Kommunalfinanzierung regelt. „Durch eine Überarbeitung des FAG ist sicherzustellen, dass die Finanzierung der grundfunktionalen Zentren in das Gesetz wiederaufgenommen wird“, heißt es im Papier. Über das FAG erhalten die Kommunen aus dem Zehn-Milliarden-Landeshaushalt jährlich rund zwei Milliarden Euro. Festgelegt ist auch, wie sie an Kreise, Städte und Gemeinden verteilt werden. So erhalten die größeren Städte über einen Veredelungs-Faktor und von hohen Sozialausgaben betroffene Kreise über einen Lastenausgleich schon jetzt überproportionale Zuweisungen pro Einwohner.

Nicht nur die Grundzentren sollen nun wieder dazukommen, wie Christoffers erläuterte. Ins FAG soll darüber hinaus entweder ein „Flächenfaktor“ oder eine Investitionsklausel aufgenommen werden, nach der Gebietskörperschaften in der Peripherie des Landes mehr Geld für Investitionen erhalten würden, als es normalerweise die Bevölkerungszahlen zulassen würden. „Eine Art negativer Königsberger Schlüssel“, sagt Christoffers. Auch diese Klausel gab es schon einmal, vor Platzecks neuer Förderpolitik.

Er bestreitet nicht, dass es darum geht, Gelder im Rahmen der bestehenden Kommunalfinanzierung aus dem einwohnerstarken, prosperierenden Berliner Umland in die berlinfernen Landregionen umzuverteilen. Es sei trotzdem nötig, um auch dort Daseinsvorsorge und Infrastruktur sichern zu können, argumentiert Christoffers. „Es gibt einen Verfassungsauftrag, in Brandenburg gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten.“ Den Streit, was dafür die richtige Methode ist, haben Christoffers und Schwarzenberg im „Fliegenden Holländer“ neu eröffnet.

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