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Nach der Tarifeinigung: Brandenburgs Kommunen droht sanfter Personalabbau
Der Städte- und Gemeindebund hält den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst für kaum vertretbar. Allein Potsdam kostet er im Jahr drei Millionen Euro zusätzlich.
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Potsdam - Für Brandenburgs Kommunen wird der am Samstagmorgen vereinbarte Tarifabschluss für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen tiefe Einschnitte zur Folge haben. Der Städte- und Gemeindebund bezeichnete die Anhebung der Vergütung um 6,3 Prozent als „kaum vertretbar“. Verbandsgeschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher sagte, dieser Abschluss sei „höher als befürchtet“. In zahlreichen Kommunen werde dies zu finanziellen Engpässen führen. „Jetzt müssen Nachtragshaushalte aufgestellt werden, mit diesem Aufschlag hat niemand gerechnet“. Bereits zum am Freitag unterbreiteten Arbeitgeberangebot von 5,8 Prozent hätten ihm Bürgermeister gesagt, „damit kommen wir nicht klar“.
Nach zwei größeren Warnstreikwellen und tagelangem zähen Ringen hatten sich die Gewerkschaten Verdi und dbb-Tarifunion mit den Vertretern des Bundes und der Kommunen am frühen Samstagmorgen auf den Abschluss geeinigt.
Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam muss nun rund drei Millionen zusätzlich für das Personal aufbringen. „Das ist etwas mehr, als wir erwartet haben“, sagte ein Stadtsprecher. Allein 2012 kämen auf die Stadt für die Löhne und Gehälter von Mitarbeitern neue Kosten von rund einer Million Euro zu. Innerhalb der Tariflaufzeit von 24 Monaten seien es insgesamt rund drei Millionen Euro. In Brandenburg/Havel rechnet Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) mit Mehrkosten von einer Million Euro – bei einem Gesamtetat von 150 und einem Defizit von 20 Millionen Euro. „Ich halte den Abschluss für sehr hoch“, sagte sie.
Der Landrat von Potsdam-Mittelmark, Wolfgang Blasig (SPD), begrüßte den Tarifabschluss grundsätzlich. Jetzt könnten auch die Beschäftigen im öffentlichen Dienst am konjunkturellen Aufschwung teilhaben. „Jahrelang waren sie außen vor, während die Inflation voranschritt.“ Die öffentlichen Kassen würden durch die Einigung aber deutlich belastet, einige Kommunen hätten erhebliche Probleme. Auch Barnim-Landrat Bodo Ihrke nannte es „richtig, dass es jetzt im Vergleich zur Privatwirtschaft eine reale Einkommensteigerung gibt, da hat der öffentliche Dienst hintergehinkt“. Städte- und Gemeindebund-Geschäftsführer Böttcher dagegen sagte, zwar müssten auch die Angestellten vernünftig bezahlt werden, dabei sei aber Augenmaß nötig. „Die sozialen Bedingungen im öffentlichen Dienst sind positiv, da darf man nicht nur die Tarifhöhe mit anderen Branchen vergleichen.“
Was konkret die Kommunen tun werden, um die Mehrkosten aufzufangen, ist noch unklar. Allerdings zeichnen sich bereits Lösungen ab. Blasig sagte, „für viele Kommunen bedeutet das, dass sie Potenziale auftun müssen, aber möglicherweise auch Personal straffen und einsparen.“ Böttcher sagte, der Tarifabschluss könne „Auswirkungen auf den Personalbestand haben“. Zwar litten auch die kommunalen Verwaltungen unter dem demografischen Wandel und benötigten dringend neue Mitarbeiter, weil zahlreiche Angestellte in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Aber mit den nun stärker steigenden Personalkosten würden zahlreiche Stellen möglicherweise einfach nicht neu besetzt. Ähnlich äußerte sich Mittelmark-Landrat Blasig: „Qualifizierter Nachwuchs fehlt auch in der Verwaltung. Wenn im öffentlichen Dienst nun gut bezahlt wird, gelingt es vielleicht, wieder Nachwuchs zu gewinnen.“ Aber wenn die Stellen wegen gestiegener Kosten nicht neu besetzt werden, „beißt sich die Katze in den Schwanz“.
Kündigungen schlossen Blasig und Böttcher aus. „Das ist schwerlich zu machen. Wir haben schon kräftig abgebaut und sind an der Schmerzgrenze“, sagte Böttcher. Allerdings könne es zu Auslagerungen und Privatisierungen kommen. Dies sei zwar nicht gewollt, aber in einigen Städten und Gemeinden nicht zu umgehen. Einige kommunale Einrichtungen und Betriebe seien bereits aus dem Tarif ausgestiegen. Brandenburgs Oberbürgermeisterin Tiemann hält Personalabbau für nicht machbar. „Da sind wir schon weit unten in der Handlungsfähigkeit.“ Auch neue Sparrunden bei den freiwilligen Leistungen – Kultur, Sport und Jugend – seien der falsche Weg. „Ich bin nicht bereit, unsinnige Streichungen durchzusetzen“, so Tiemann. Jetzt ginge es grundsätzlich um die Finanzausstattung der Kommunen. Bund und Land bürdeten ihnen immer mehr Aufgaben ohne finanziellen Ausgleich auf. Auch deshalb hätten die kreisfreien Städte Verfassungsklage gegen das neue Kita-Gesetz der rot-roten Landesregierung und ihre Finanzausstattung erhoben.
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