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Brandenburg: Brandenburgs Linke greift freies Mandat an

Partei will von Landtagskandidaten Selbstverpflichtung zum Umgang mit Parlamentsmandat – Bedenken von Verfassungsrechtlern

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Potsdam - Brandenburgs Linke geraten in Kollision mit der Verfassung, weil sie ihre Abgeordneten ans Gängelband nehmen wollen. Die Partei will von ihren Landtags-Kandidaten eine schriftliche Verpflichtungserklärung zu einem Verhaltens-Kodex als künftige Abgeordnete verlangen. Das sieht ein Antrag des von Landeschef Stefan Ludwig geführten Landesvorstandes und einiger Kreischefs vor, der am Wochenende auf einem Parteitag in Eberswalde beschlossen werden soll. Linke-Kandidaten für die Landtagswahl 2014 sollen, und zwar vor Aufstellung der Landesliste und der Nominierung in den Wahlkreisen, unter anderem schriftlich erklären müssen, „im Falle der Ernennung als Ministerin oder Minister auf ein Abgeordnetenmandat (...) zu verzichten.“

Verfassungsrechtler halten diesen Umgang mit frei gewählten Abgeordneten mindestens für problematisch.

Auf PNN-Anfrage verwies Professor Andreas Zimmermann, der an der Universität Potsdam einen Lehrstuhl für öffentliches Recht hat, auf den einschlägigen Artikel 56 der Landesverfassung Brandenburgs zum freien Mandat. Darin heißt es: „Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.“ Die von den Linken geplante Praxis sei zumindest „verfassungsrechtlich bedenklich“, sagte Zimmermann. Es sei ein versuchter Eingriff in das freie Mandat. „Es entspricht nicht dem Geist der Verfassung, die jede Art von Druck auf frei gewählte Abgeordnete als problematisch ansieht.“ Allerdings seien die schriftlichen Erklärungen juristisch unwirksam, da kein gewählter Abgeordneter tatsächlich zur Niederlegung seines Mandates gezwungen werden könne. „Es sind politische Mechanismen, die sich einer rechtlichen Überprüfung entziehen.“ Politisch können sie trotzdem wirken, etwa als Disziplinierungsinstrument, im Umgang mit Kandidaten bei der Listenaufstellung oder bei Eskalationen des Konfliktes. Es gehe um ein Spannungsfeld, sagt Zimmermann. Wenn etwa ein Linke-Minister sein Mandat behalte, Fraktion und Partei seine Entlassung fordern, werde sich der Ministerpräsident einer Koalition dem kaum verwehren können.

Das alles ist anders als in allen anderen Ländern kein theoretisches Problem, da die Linken in Brandenburg seit 2009 mitregieren und auf eine Fortsetzung von Rot-Rot 2014 hoffen. Nach der letzten Landtagswahl hatten sich die Kabinettsmitglieder Ralf Christoffers und Anita Tack den Zorn der Parteispitze und von der Basis zugezogen, weil sie als Minister ihre Landtagsmandate nicht niederlegen wollten. Christoffers etwa hatte den Schritt abgelehnt, weil er das Direktmandat geholt hatte und seine Wähler nicht täuschen wollte. Beide wollen wieder für den Landtag kandidieren, sie sind die bekanntesten Linke-Minister. Doch beide haben Gegner in der Partei, Christoffers wegen der Energiepolitik, Tack im Potsdamer Wahlkreis, wo Kreischef Sascha Krämer selbst das Landtagsmandat anstrebt. Er ist einer der Miteinreicher des Beschlussantrages.

Die Trennung von Amt und Mandat, in der Linke-Landesatzung verankert, ist zwar der weitgehendste Passus, der geplante Verpflichtungs-Katalog aber viel länger. Er enthält weiterhin die Bereitschaftsformeln, „Parteitagsbeschlüsse zu beachten“, „regelmäßig an Fraktions-, Arbeitskreis- und Ausschusssitzungen teilzunehmen“ und einen Teil der Abgeordneten-Diät als Mandatsträgerbeitrag an die Partei abzuführen. Die designierten Abgeordneten müssen außerdem die Bereitschaft erklären, „in Absprache mit der Landespartei im Sinne einer flächendeckenden Präsenz und Betreuung .... bei Notwendigkeit in Abstimmung mit dem Landesvorstand ein Wahlkreisbüro außerhalb des eigenen Wahlkreises zu eröffnen.“

All dies soll fixiert werden. Mit den Bewerbern „zur Landtagswahl 2014 werden schriftliche Erklärungen getroffen, die genannten Kriterien anzuerkennen und zu erfüllen“, heißt es dazu wörtlich im Antrag. Wer das nicht tut, muss mit Nachteilen bei der Aufstellung oder gar einer fehlenden Mehrheit rechnen. Der Landesvorstand fühlt sich auf der sicheren Seite. Auch Landtagsfraktionschef Christian Görke hat kein Problem mit dem Antrag. Es rechne nicht mit Konflikten, denn der Satzungsbeschluss zur Trennung von Amt und Mandat sei verbindlich. „Und es ist auch verfassungsrechtlich nachvollziehbar, Exekutive und Legislative zu trennen.“

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