
© Simone Diestel
Von Alexander Fröhlich: Brandenburgs Makler mit Stasi-Makel
Die neuen Stasi-Vorwürfe bei der früheren Landesfirma BBG und ihre politische Sprengkraft
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Potsdam - Er ist die zentrale Figur in den Immobilienaffären, die der Untersuchungsausschuss prüfen will und das politische Potsdam seit Wochen beschäftigen. Denn der Verdacht besteht, dass dem Land erheblicher Schaden entstanden ist bei der Privatisierung der Brandenburgischen Boden Gesellschaft (BBG) im Jahr 2006 und beim Verkauf der Krampnitz-Kasernen in Potsdams Norden. Es geht um Frank Marczinek, 49 Jahre alt, eine schillernde Figur, die sich gern mit Größen aus Wirtschaft, Sport und Politik sehen lässt. Marczinek ist zudem ein Freund von Rainer Speer (SPD), der auch nach seinem Minister-Rücktritt wegen einer Unterhaltsaffäre um ein uneheliches Kind weiter für Schlagzeilen sorgt.
Denn Speer und Marczinek sind Freunde und gemeinsam im Vorstand des Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03. Speer war es, unter dessen Ägide als Finanzminister der gut gehende landeseigene Immobilienvermarkter BBG unter Wert privatisiert und auch der Verkauf der Krampnitz-Kasernen abgewickelt wurde, aus Sicht des Rechnungshofs unter Wert. Für Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), bislang schweigsam zu all dem, wird das zunehmend zum Problem, denn es geht um seinen engsten politischen Vertrauten und Weggefährten: Rainer Speer – und dessen Umfeld.
Als wären die Vorwürfe und die Lage für die von Platzeck geführte Landesregierung nicht schon dramatisch genug, wird nun ein Verdacht von politischer Sprengkraft laut. Dass sich nämlich alte Stasi-Seilschaften Landeseigentum zuschanzt haben könnten, wie es FDP-Fraktionschef Andreas Büttner gestern sagte. Dass ein Netzwerk von In-Sich-Geschäften der BBG mit Landeseigentum profitierte, wie Grüne-Fraktionschef Axel Vogel glaubt. Politisch Brisant ist das, weil die rot-rote Regierungskoalition die durch Stasi-belastete Linke-Abgeordnete vor einem Jahr ausgelösten Erschütterungen gerade ausgestanden hatte.
Marczinek ist CDU-Mitglied in Berlin, in der ersten frei gewählten DDR-Regierung war er Staatssekretär von Verteidigungsminister Rainer Eppelmann. Später legte er eine steile Karriere in der Wirtschaft hin, kam bei Thyssen und der Vattenfall unter, deren gemeinsame Tochter TVF Altwert GmbH, einem Abbruch- und Recyclingspezialisten, er führte und schließlich vor wenigen Jahren ganz übernahm. Die Firma machte schon lange Geschäfte mit der BBG, entsorgt Altlasten auf Militärbrachen. Marczinek kannte die Landesfirma gut, bevor er sie übernahm.
Nach Sichtung der Akten und acht Personalkarteikarten hat sich die Stasiunterlagenbehörde festgelegt: Marczinek war von 1985 bis zur Wende Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit (IMS) des DDR-Geheimdienstes, Deckname „Frank Wulff“. Als NVA-Offizier soll er Soldaten bespitzelt haben. Der Stasi soll Marczinek über Pläne zur Flucht aus der DDR und politische Einstellungen seiner Untergebenen berichtet haben, wie aus Opferakten hervorgeht, die den PNN vorliegen. Er soll unter anderem „konspirativ einen Brief des Soldaten ... beschafft“ habe. Eine Verpflichtungserklärung gibt es nicht mehr, Marcineks Stasi-Akte wurde im November 1989 vernichtet, das belegt eine Personalkarteikarte. Anders gelagert ist die Sache Harald Holland-Nell, der an der Privatisierung der BBG und auch am Krampnitz-Deal beteiligt war. Der 53-Jährige hatte dem RBB gegenüber eingeräumt, Stasi-IM gewesen zu sein. Dessen Verpflichtungserklärung und die Akte liegen den PNN vor. Ende der 1980er sollte Holland-Nell, damals Richter in Berlin, eine Frau aus kirchlichen Oppositionskreisen für sich gewinnen, „zielgerichtet ein intimes Verhältnis“ aufbauen, die Ehe der Frau sprengen. Im November 1989 stellte die Stasi die Zusammenarbeit ein, wegen privater Probleme „konnte die geplante Einsatzrichtung“ nicht realisiert werden.
Nun also zwei neue Stasi-Fälle, einer davon im engsten Umfeld von Ex-Minister Speer. Angesichts der Debatte über den jahrelangen laxen Umgang mit dem Stasi-Erbe in Brandenburg, womit sich auch die Enquetekommission beschäftigt, gewinnt dies zusätzliches Gewicht. In Potsdam geht hinter den Kulissen bereits die Furcht um, die BBG sei nur der Beginn, für die Opposition im Untersuchungsausschuss ein gefundenes Fressen. Weitere Enthüllungen könnten folgen, es geht um die Personalpolitik in den 1990er Jahren, als Stasi-belastete Mitarbeiter aus Ministerien in Landesunternehmen untergebracht worden sein sollen, wie manch erfahrener Landespolitiker sagt.
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