Brandenburg: Brandsätze in Polizeiwache geworfen
Gebäudereiniger konnte in letzter Sekunde gerettet werden. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes
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Berlin - Zwei Meter hohe Stichflammen schossen neben dem Reinigungsmann hoch – in letzter Sekunde konnten Polizisten ihn in Sicherheit bringen. Drei Wochen vor dem 1. Mai haben Linksextremisten am Montag in Berlin um 5.35 Uhr drei Brandsätze auf die Friedrichshainer Polizeiwache geschleudert. Zwei zündeten in der Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich, wo der Putzmann gerade kontrolliert wurde. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sprach von einem „geplanten Verbrechen“. Es müsse den Tätern klar gewesen sein, dass ein Mensch gefährdet wird, hieß es am Tatort. Der für politische Delikte zuständige Staatsschutz und eine Mordkommission sind eingeschaltet, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes. Der Gebäudereiniger erlitt einen Schock. Neben den drei Molotowcocktails wurden mehrere Pflastersteine und Farbflaschen gegen Fenster geworfen. Wegen der exponierten Lage – der Abschnitt 51 in der Wedekindstraße ist auch für die Liebigstraße zuständig – wurden bei der Sanierung des Gebäudes vor einem Jahr neben der Sicherheitsschleuse stabile Panzerglasscheiben eingebaut. Diese hielten selbst großen Pflastersteinen problemlos stand. Körting informierte sich am Nachmittag kurz persönlich am Ort des Anschlages.
Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte, dass die vermummten Täter die Ankunft des 26-jährigen Reinigungsmannes „ausgenutzt“ hätten. Die sechs bis sieben Vermummten hatten vor dem Anschlag auf umliegenden Kreuzungen sogenannte Krähenfüße ausgestreut, um Polizeiautos an der Verfolgung zu hindern. Dem beherzten Wachleiter gelang es nach einem Sprung aus einem Parterrefenster, einen der mit Fahrrädern Flüchtenden zu verfolgen und festzuhalten. Doch der Randalierer wehrte sich heftig und konnte sich wieder losreißen; der Wachleiter erlitt Abschürfungen und Prellungen an der Hüfte. Ein Bekennerschreiben lag bis Redaktionsschluss nicht vor. Die Polizeiführung geht davon aus, dass die Täter den Reiniger für einen Polizisten hielten. Um diese Uhrzeit ist Wachwechsel.
Dem Vernehmen nach warfen die Täter sogenannte „Club-Mollis“. Eine Bauanleitung für diesen „spurenarmen Molli“ hatte die linke Untergrundzeitschrift „Interim“ im vergangenen Jahr abgedruckt. Der „Molli“ gilt als spurenarm, weil er anders als Molotowcocktails ohne Lunte auskommt. Benutzt werden überwiegend Limo-Flaschen der Sorte „Club Mate“. Die Staatsanwaltschaft hatte nach der Veröffentlichung mehrere linke Buchläden durchsuchen und Exemplare beschlagnahmen lassen. Mittlerweile findet sich die Anleitung jedoch im Internet.
Die Spurensicherung vor und in dem Gebäude dauerte Stunden, neben der Kriminaltechnik waren auch Sprengmittelexperten im Einsatz. Die Videokamera vor dem Eingang zeichnet keine Bilder auf und erfasst zudem aus Datenschutzgründen nicht den Gehweg, sagte ein Beamter. Zuletzt hatte es am 1. Januar einen Anschlag auf den Abschnitt 31 in der Brunnenstraße gegeben, auch dort flogen Pflastersteine, Farbflaschen und Brandsätze. Menschen waren jedoch nicht in Gefahr.
Die jüngste Attacke lässt die Spannung im Präsidium vor dem 1. Mai steigen. Bislang sei die Mobilisierung eher gering gewesen, sagen Experten. Mit Interesse wird verfolgt, wie die Szene über die Route der krawallanfälligen „18-Uhr-Demo“ diskutiert. Die Veranstaltung soll durch den Bezirk Neukölln führen und am Südstern enden. Teile der Szene kritisieren dies als taktischen Fehler. Der Einsatzleiter am 1. Mai, Jürgen Klug, berichtete, dass mit den Anmeldern der Autonomen-Demo noch nicht gesprochen worden sei. Ab Mitte April werden 80 durch Straftaten aufgefallene Linksextremisten Hausbesuche bekommen – mit diesen sogenannten Gefährderansprachen will die Polizei signalisieren: „Wir kennen dich, wir haben ein Auge auf dich am 1. Mai“. Unklar ist, ob der Brandanschlag am Montagmorgen auf einen 100 000-Euro-Porsche in Dahlem politisch motiviert ist. Jörn Hasselmann
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