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Brandenburg: „Braune Soße in den Köpfen“

Vier Jahre für Oberfeldwebel: Richter will mit hartem Urteil vor fremdenfeindlichen Taten abschrecken

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Vier Jahre für Oberfeldwebel: Richter will mit hartem Urteil vor fremdenfeindlichen Taten abschrecken Von Marion Hartig Potsdam – Wie an den vier vorangegangenen Verhandlungstagen wurde Thorsten Z. gestern zur Urteilsverkündung mit Handschellen ins Landgericht Potsdam geführt. Neun Jahre Haft hat der Staatsanwalt in der vergangenen Woche für den 26-jährigen Oberfeldwebel gefordert – wegen versuchten Mordes an dem Kenianer Oscar M. aus fremdenfeindlichen Motiven. Die 1. Kammer verurteilte den Angeklagten hingegen wegen gefährlicher Körperverletzung zu viereinhalb Jahren Gefängnis – einer für Körperverletzung hohen Strafe, wie Richter Frank Tiemann in seiner Urteilsverkündung erklärte. Während seiner 90-minütigen Ausführungen befand der Richter, dass „neuerdings normale Menschen in Brandenburg latent fremdenfeindliche Einstellungen haben“. Das Klima sei geprägt von der „braunen Soße in den Köpfen, die die Leute vergifte“. Deshalb müssten fremdenfeindliche Taten besonders hart bestraft werden. Der Richter ließ das Geschehen noch einmal Revue passieren. Fünf Uhr morgens am Sonntag dem 18. Juli 2004. Die Disko „Piephahn“ in Brandenburg hat gerade geschlossen, die letzten Gäste gehen. Thorsten Z. und sein Bekannter, der 30-jährige Maurer Andreas R., stehen am Ausgang, die Stimmung ist aggressiv. Sie beginnen die an ihnen vorübergehenden Kenianer Oscar M. und Jeff I. anzupöbeln und die Schwarz-Afrikaner mit „Schlampe“, „Du stinkst“ und „Den Ausländern geht es hier doch viel zu gut“ zu beschimpfen. Zwei junge Frauen, Jana B. und Nicole L. kommen dazu, versuchen R. und Z. zu beschwichtigen. Die Kenianer lächeln, sagen „Peace“ und „Frieden“ und gehen eilig zur 50 Meter entfernten, um die Ecke liegenden Bushaltestelle. Z. verfolgt und entdeckt sie, kommt zurück: „Den hol ich mir“, sagt er und läuft gemeinsam mit R. hinter den Kenianern her. Andreas R. erwischt Oscar M. und schlägt ihn mit der flachen Hand ins Gesicht, so dass er zu Boden geht. Als er den flüchtenden Jeff I., den zweiten Kenianer erreicht, hört er hinter sich Glas zu Bruch gehen. Thorsten Z. hat seine Bierflasche an einem Betonsockel zerschlagen. Mit den Scherben in seiner Hand sticht er Oscar M. mit den Worten „Ich bring dich um“ heftig in die linke Halsseite. Oscar M. fällt schreiend zu Boden. Die drei Zentimeter tiefe Wunde – knapp neben der Halsschlagader – blutet stark. Der Oberfeldwebel geht einige Schritte zurück, meint dass er Oscar M. einen tödlichen Stoß versetzt hat. Als er sieht, dass sich der Kenianer aufrappelt, will er sich wieder auf ihn stürzen. Inzwischen aber sind die beiden jungen Frauen zur Bushaltestelle gerannt, sie haben das Aufschlagen der Flasche gehört. Jana B. versucht den unter Schock hin und her laufenden Kenianer zu beruhigen und ruft per Handy die Polizei. Nicole L. hält den aggressiven Zeitsoldaten an der linken Hand fest und redet beruhigend auf ihn ein, um ihn davon abzuhalten, noch einmal zuzustechen. Es dauert, aber es gelingt ihr. Thorsten Z. lässt die Scherbe fallen. Der Oberfeldwebel nimmt das Urteil mit steinerner Miene hin, so wie er reglos hingenommen hat, dass ihn Oscar M. eindeutig identifiziert, das psychiatrische Gutachten ihm ein zwanghaft angepasstes und introvertiertes Verhalten bescheinigt und seine Ehefrau den Tränen nahe im Zeugenstand aussagt. Nur als sich gestern die Kameraobjektive der Journalisten auf ihn richten, beißt er sich auf die Zähne. Die Augen schimmern rötlich, blicken ängstlich. Thorsten Z. hat Glück gehabt, sagt der Richter, dass er den Kenianer nicht wie beabsichtigt in die Halsschlagader getroffen hat und eine junge Frau Zivilcourage gezeigt habe. Durch sie habe er im letzten Moment von seinem Entschluss abgelassen, Oscar M. umzubringen. Der durchtrainierte Soldat hätte Nicole L. ohne weiteres zur Seite drängen können, um „seine Tat zu vollenden“, argumentiert der Richter. Deshalb könne der Angeklagte nicht wegen versuchten Mordes verurteilt werden. Strafverschärfend allerdings habe sich ausgewirkt, dass er aus einer „glasklar“ fremdenfeindlichen Gesinnung heraus gehandelt habe und in seiner Verteidigung eine dritte Person beschuldigte, die Tat begangen zu haben. Das wiege schwer. Erschwerend sei auch, dass er sich bei Oscar M. nicht entschuldigt habe, nie versucht habe, ihn in irgendeiner Weise zu entschädigen. Auch der Mitangeklagte Andreas R., der ein Teilgeständnis ablegte, habe keine wirkliche Reue gezeigt, bemängelte der Richter. Der arbeitslose Maurer wurde wegen Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu zwei Jahren Haft verurteilt, die zu einer vierjährigen Bewährungsstrafe ausgesetzt ist. Außerdem muss er 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

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