Brandenburg: Breite Front gegen Schließung von Gerichten OLG-Präsident Kahl auf einer Linie
mit Linke-Justizminister Schöneburg
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Potsdam - Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) wird im regierungsinternen Streit um die Zukunft der Amtsgerichte immer mehr der Rücken aus dem Justizapparat gestärkt. Nachdem Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg vor unzulässigen „Übergriffen“ des für Verwaltungsmodernisierung zuständigen Innenressorts auf die Unabhängigkeit der Justiz gewarnt, Justiz-Gewerkschaft und Richterbund Widerstand angekündigt hatten, stellt sich nun auch der neue Präsident des Oberlandesgerichts (OLG), Wolf Kahl, hinter den Minister. „Mit einem Amtsgericht in ihrer Nähe erfahren die Bürger den Rechtsstaat vor Ort. Insofern sind wir „völlig auf einer Linie“ mit Schöneburg, sagte Kahl.
Wie berichtet, fordert die Modernisierungs-Stabsstelle im Innenministerium vom Justizressort wegen des Spardrucks im Landeshaushalt weitreichende Einschnitte bei den Gerichten. Bislang will Schöneburg aber im Zuge der Polizeireform nur die Landgerichtsbezirke an den Zuschnitt der Polizeidirektionen angepassen und lehnt die Schließung von Amtsgerichten ab. Die Verwaltungsmodernisierer, aber auch Teile der SPD-Landtagsfraktion dagegen fordern einen echten Sparbeitrag des Justizministeriums, so wie ihn auch das Innenressort durch den massiven Stellenabbau bei der Polizei leiste.
OLG-Präsident Kahl aber sieht dafür kein Potenzial: „Derzeit werden keine Kosten eingespart durch eine Schließung oder Zusammenlegung. Die Gebäude gehören der Justiz“, sagte Kahl. Anders als in den meisten anderen neuen Bundesländern habe es in Brandenburg bereits Anfang der 1990er Jahre eine Strukturreform gegeben. „Wir haben die Anzahl der damaligen Kreisgerichte fast halbiert auf 25 heutige Amtsgerichte. Diese haben bis heute ihre Berechtigung“, sagte Kahl. Im Gegensatz zu Bundesländern wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen gebe es in Brandenburg kaum noch richtig kleine Gerichte.
Zudem forderte Kahl ein Ende der durch die Polizeireform neu aufgeflammten Debatte um die Zukunft der Amtsgerichte, dies sei eine Zumutung für die Justizbediensteten. „Das Schlimme daran ist die Länge“, sagte der OLG-Präsident. „So kann man mit den Beschäftigten nicht umgehen. Sie leben seit rund sechs Jahren mit der Unsicherheit – das führt zu Motivationsverlust“ und habe Anteil an überlangen Bearbeitungszeiten. Tatsächlich hatte bereits die rot-schwarze Koalition mit Justizministerin Beate Blechinger (CDU) Pläne zur Schließung von Amtsgerichten diskutiert, musste diese aber wegen unsicherer Mehrheiten wieder auf Eis legen.
Nicht nur wegen der Polizeireform, auch wegen der Zukunftsdebatte im Land um den drastischen Einwohnerschwund und den daher nötigen Verwaltungsumbau will die SPD das Thema neu anpacken. Schöneburg aber, einst selbst Strafverteidiger, Landes-Verfassungsrichter und schon vor der Übernahme des Ministeramtes ein Kenner des Justizapparates in Brandenburg, sperrt sich. Auf Basis prognistizierter Einwohnerzahlen im Jahr 2030 könne nicht die Zukunft einzelner Amtsgerichte geplant werden. Maßgeblich sollen die Eingangszahlen bei Verfahren sein. Für OLG-Präsident Kahl macht eine weitere Reduzierung der Gerichtsstandorte nur Sinn, wenn für die Eingangszahlen „nur noch ein oder zwei Richter vor Ort“ sind. „Diese Situation haben wir aber nicht – dennoch gibt es immer wieder diese Diskussion.“ Alexander Fröhlich
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