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Riechen statt untersuchen: Brief an Platzeck: Amtsärzte prangern Misstände im Landeslabor an

Werden Lebensmittel-, Tier- und Krankheits- und andere Proben in Brandenburg und Berlin nicht mehr richtig untersucht? In einem Offenen Brief prangern die Amtstierärzte genau das an. Steht Brandenburg vor einem Verbraucherschutz-Skandal?

Von Matthias Matern

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Potsdam - Brandenburgs Amtstierärzte prangern Missstände im Landeslabor Berlin-Brandenburg an: Weil immer weniger Personal zur Verfügung stehe, würden rechtlich vorgeschriebene Proben teilweise nur noch sensorisch, also durch Riechen, Tasten oder bloßes Betrachten begutachtet statt mikrobiologisch oder chemisch untersucht, kritisiert der Vorsitzende des Verbandes der Tierärzte im Öffentlichen Dienst Brandenburg, Knut Große, in einem offenen Brief an Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Noch im Mai 2013 seien zudem rund 130 Pflichtproben aus dem Vorjahr gar nicht bearbeitet gewesen, heißt es weiter. „Dies stellt den Sinn und Zweck der amtlichen Lebensmittelüberwachung und des Verbraucherschutzes im Land Brandenburg erheblich infrage“, so Große in seinem Brief.

Als Grund für die Missstände führt der Verbandsvorsitzende, der zudem Amtstierarzt in Brandenburg/Havel ist, die Personalsituation im Landeslabor an. Stellen von Mitarbeitern, die aus dem Berufsleben scheiden, würden nicht nachbesetzt und Mitarbeiter, die eine Auszeit nehmen, nicht durch befristete Beschäftigte ersetzt, behauptet der Tiermediziner. Bedenklich sei dies auch vor dem Hintergrund der Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre. „Es wäre schön, wenn wir als kommunale Veterinärämter solche Skandale aufdecken könnten und nicht immer nur die Nichtregierungsorganisationen“, sagte der Verbandsvorsitzende am Dienstag den PNN.

Gegründet wurde das Landeslabor 2009. Die Einrichtung hat ihren Dienstsitz in Berlin und unterhält weitere Standorte in Frankfurt(Oder), Potsdam, Kleinmachnow und Oranienburg. Unter anderem werden dort Proben zur Lebensmittel- , Arznei- und Futtermittelsicherheit ausgewertet, die von den brandenburgischen Kreisen und kreisfreien Städte sowie den Berliner Bezirken eingeschickt werden. Auf Grundlage der Befunde können die Kommunen gegebenenfalls Maßnahmen zum Verbraucherschutz anordnen. Allerdings nimmt das Labor auch Aufträge aus der Wirtschaft und von anderen Institutionen an. Im Landeslabor bestätigte man am Dienstag die Missstände indirekt. „Wir kennen das Problem. Derzeit sind die Trägerländer im Gespräch“, sagte Labor-Sprecher Lothar Böhm. Angaben zur aktuellen Mitarbeiterzahl konnte er nicht machen. Der Berliner Senatsverwaltung für Verbraucherschutz dagegen lag der Brief angeblich bislang nicht vor, dem von Anita Tack (Linke) geführten Umweltministerium Brandenburgs schon: „Es wird ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der Landestierärztekammer und dem Absender des Briefes bei der Staatssekretärin geben“, teilte Sprecherin Alrun Kaune-Nüßlein mit. Darüber hinaus wolle man sich aber nicht äußern. Um das Gespräch hatte Große eigenen Angaben zufolge selbst gebeten, nachdem Tack mehrere seiner Briefe ignoriert hatte. Mit seiner Kritik steht der Amtstierarzt nicht allein da. Auch aus anderen Kommunen hieß es am Dienstag, die Zustände im Labor seien unhaltbar. Der Fraktionschef der Grünen im brandenburgischen Landtag, Axel Vogel, bezeichnete die Zustände als alarmierend. „Der designierte Ministerpräsident Dietmar Woidke muss hier schnell Abhilfe schaffen. Der gesundheitliche Verbraucherschutz der Bürgerinnen und Bürger darf nicht zur Disposition stehen.“ CDU-Verbraucherschutzexperte Henryk Wichmann griff direkt die Ministerin an. „Der gesundheitliche Verbraucherschutz hat unter Ministerin Tack keinen hohen Stellenwert. Das Kabinett muss sich Gedanken machen, ob die Personalplanung von vor zehn Jahren noch angemessen ist oder ob man nicht doch lieber auf die eine oder andere Stelle im Naturschutz verzichten sollte“, sagte er. FDP-Landeschef Gregor Beyer kritisierte, dass es bislang nicht gelungen sei, hoheitliche und privatwirtschaftliche Aufgaben des Labors sauber zu trennen. „Weil der hoheitliche Bereich unterfinanziert ist, wird versucht durch Aufträge aus anderen Bereichen querzusubventionieren – zulasten der eigentlichen Aufgaben“, so der FDP-Chef.

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